Moorenweis:Melodien gegen die Krankheit

Moorenweis: Ein Quintett für den neuen Chor: Bürgermeister Joseph Schäffler (von links), Gertraud Riedl-Steininger, Geschäftsführerin der Nachbarschaftshilfe, Chorleiter Norbert Steinhardt und die beiden Projektverantwortlichen Kerstin Müller und Cornelia Eckhard.

Ein Quintett für den neuen Chor: Bürgermeister Joseph Schäffler (von links), Gertraud Riedl-Steininger, Geschäftsführerin der Nachbarschaftshilfe, Chorleiter Norbert Steinhardt und die beiden Projektverantwortlichen Kerstin Müller und Cornelia Eckhard.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

In Moorenweis gründet die Nachbarschaftshilfe den ersten Demenzchor im Landkreis. Er soll den Erkrankten die Lebensfreude zurückgeben. Der Bürgermeister hofft nun auf Nachahmer für das Pilotprojekt

Von Manfred Amann, Moorenweis

Wer kennt sie nicht, die alten Volkslieder wie "Im Frühtau zu Berge oder "Das Wandern ist des Müllers Lust". Werden sie angestimmt, kann man auch gleich mitsingen oder zumindest mitsummen. Die Melodien sind so verinnerlicht, dass es ein Leichtes ist, sie hervorzuholen und damit auch die mit den Liedern verbundenen Erinnerungen und Emotionen. Der erste Demenz-Chor im Landkreis Fürstenfelddruck, der in Moorenweis nun unter der Trägerschaft der Kranken- und Nachbarschaftshilfe (KNBH) gegründet wurde, macht sich diese Erkenntnis therapeutisch zu Nutze.

Ziel ist es, mit dem Singen vertrauter Lieder bei den Erkrankten Selbstwertgefühl und Lebensfreude zu stärken. "Es waren nachher alle Sänger wie verzaubert über das gemeinsame Erleben und Singen", bilanzierte KNBH-Geschäftsführerin Gertraud Riedel-Steininger, alle hätten sich wohl gefühlt und wollten wiederkommen. Damit ist die Idee von Projektleiterin Kerstin Müller, die bei der KMBH als Krankenschwester im ambulanten Pflegedienst aktiv ist und sich entsprechend weiterbildete, voll aufgegangen, mit einem Demenzchor Betroffene aus der Isolation zu holen.

Schon Charles Darwin wusste laut Riedl-Steininger: "Die Musik hat eine wunderbare Kraft, in einer unbestimmten Art und Weise die straken Gemütsregungen in uns wieder wach zu rufen, welche vor längst vergangenen Zeiten gefühlt wurden". Durch Singen werde die Emotionalität angeregt, das Mitmachen im Chor schaffe Struktur im Gefühlschaos und in der Zeitlosigkeit der Demenz, erläutert Müller, die von der geronto-psychiatrischen Fachkraft der KNBH, Cornelia Eckhard, unterstützt wird.

Weiter erklärt die Initiatorin des ehrgeizigen Projektes, dass die Auswirkungen auf die Sänger vielfältig und individuell seien. Im Langzeitgedächtnis seien Erlebnisse an die Melodien gekoppelt und dazugehörige positive Gefühle. Diese wach zu rütteln helfe Spannungen, Aggressionen, Ängste und Stress abzubauen. Gemeinschaftliches Singen gebe Halt in einer Zeit zunehmender Entfremdung, rege die Kommunikation an, gebe Geborgenheit und steigere das Selbstwertgefühl. All dies wiederum habe positive Effekte hinsichtlich körperlicher und geistiger Gesundheit und mache die Betroffen umgänglicher, so Kerstin Müller.

Singen in Gemeinschaft mit den Betreuern sollte daher in der Seniorenarbeit, insbesondere aber in der Begleitung Demenzkranker stärker genutzt werden. Bürgermeister Joseph Schäffler teilt diese Ansicht. "Ich bin überzeugt, dass dieses Pilotprojekt im Landkreis Nachahmer finden wird und bin richtig stolz darauf, dass die KNBH Moorenweis hier mit bestem Beispiel vorangeht", lobte der Gemeindechef. Was ursprünglich als Versuch gedacht gewesen sei, dürfte nun zumindest in Moorenweis zu einer festen Institution werden. Ein Dutzend Demenzkranke mit ihren Betreuern und einige Interessierte waren zur Chorgründung in den Alten Pfarrhof gekommen, um unter musikalischer Leitung des Ehrenchormeisters der Moorenweiser Liedertafel, Norbert Steinhardt, erste Singversuche zu machen.

Zischlaute, Füße stampfen, Hände lockern: Die Gründungssänger machten alles begeistert mit und so manches stille Lächeln war erkennbar. Danach ging es voll zur Sache. Steinhardt merkte schnell die Singbereitschaft und dass es für die meisten Lieder kein Einüben braucht. Selbst weniger bekannte Lieder wie "Als wir jüngst in Regensburg waren" wurden in allen Strophen durchgesungen. "Das klingt ja wunderbar", lobte der Dirigent. Der Text stand im Liederbuch "Sing mir eine alte Melodie", die von der KNBH zur Verfügung gestellt wird. Zukünftig finden jeden ersten Montag im Monat, von zehn Uhr an, im Alten Pfarrhof Chorstunden statt.

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