Mitten in Fürstenfeldbruck:Opfer des Klimawandels

fehlender Regenschutz, Bahnhof Fürstenfeldbruck
(Foto: Petra Heilingbrunner)

Gegen Sturmschäden und Murenabgänge will sich die Deutsche Bahn schützen. Gegen undichte Dächer an Bahnsteigen ist sie offensichtlich machtlos

Kolumne von Peter Bierl

Gegen Ende der jüngsten Eiszeit erfand der Mensch das Dach über dem Kopf. Zwar soll es damals nicht so heftig geregnet haben wie heute, dafür pfiff der Wind ganz ordentlich. Im Lauf der Jahrtausende entwickelten sich aus bescheidenen Anfängen Sattel- und Walmdach, Sparren- und Pfettendach, das Mansarddach und aus wärmeren Gegenden kam das Flachdach hinzu. Im Wesentlichen ist die Mindestanforderung jedoch seit den ersten Pultdächern unverändert: Der Mensch darunter will trocken bleiben.

Diese ganze Entwicklung, ein Beleg für die Kreativität, Hartnäckigkeit und Geschicklichkeit unserer Spezies, ist an der Deutschen Bahn AG spurlos vorbeigegangen. Zwar verwendet das Unternehmen mit Zukunft nicht Stangen, Rundhölzer, Mammutstoßzähne, Gras, Heidekraut oder Felle für seine Bahnsteigdächer sondern modernste Materialien. Bloß sind die nicht dicht, wie Fahrgäste am Dienstag in Bruck erleben mussten.

Es handelt sich aber nicht um Murks und Pfusch, schuld ist der Klimawandel. Die Starkregenfälle häuften sich, und das Wasser suche sich eben einen Weg, erklärte ein Sprecher. Die Bahn ist ein Opfer, haben Experten des Potsdamer Klimaforschungsinstituts in einer Studie festgestellt, wegen der offenen Infrastruktur. Die Bahn hat darauf sofort reagiert, mit einer Fünf-Punkte-Strategie, die unter anderem Kahlschlag vorsieht, damit keine Bäume auf die Gleise fallen. In neueren ICE-Modellen soll dank zwei voneinander unabhängiger Klimaanlagensysteme kein Passagier den Hitzetod sterben. Was den Starkregen betrifft, so setzt die Bahn bei Gesteinsböschungen und Hangabschnitten darauf, dass Netze, Wände und Zäune etwaige Muren abfangen, die nach heftigen Niederschlägen abgehen können. Bahnsteigdächer erwähnen die Strategen nicht.

Man wird also öfter den Regenschirm aufspannen müssen, will man beim Warten auf den Zug nicht tropfnass werden. Dieses simple Gerät wurde in Europa zur Zeit Karls des Großen erfunden. Unsere Vorfahren müssen über hellseherische Fähigkeiten verfügt haben: Damals begann die mittelalterliche Warmzeit, bei Maisach wurde später sogar Wein kultiviert, aber bis zum Bau von Bahnsteigen, die ein Dach unter dem Dach erfordern, sollten noch tausend Jahre vergehen.

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