Mitten in Puchheim:Warten im Unbestimmten

Wie Durchsagen S-Bahn-Wartende vertrösten wollen und verwirren können

Von Christian Hufnagel

Das Fortkommen in der S-Bahn hängt nicht selten von einem seidenen Faden ab. Der reißt, wenn nur ein paar Schneeflocken ihn beschweren, wie beispielhaft am vergangenen Montag geschehen. Wer da morgens in den Landkreis einpendeln wollte, musste nach einem Oberleitungsschaden erst herausfinden, von wo S4 oder S3 denn nun starten würden. Hauptbahnhof Obergeschoss? Donnersberger Brücke? Pasing? Gar nicht? Mehr Zufall als serviceorientierte Informationspolitik ließen die Pendler schließlich ihren Zug finden und irgendwann mit ordentlicher Verspätung in Fürstenfeldbruck ankommen. Weil es tagsüber nicht weiter schneite, durfte man ganz hoffnungsfroh sein, dass das Auspendeln von der Kreisstadt aus beschwerdefrei klappen würde.

Nicht mehr als eine kleine Irritation schien da, dass der Lokführer die gerade eingestiegenen Fahrgäste zunächst einmal mit der Drohung empfing, die Abfahrt werde sich auf unbestimmte Zeit verzögern, weil einer mutwillig eine Tür beschädigt hätte. Indes: Die grollende Lautsprecherstimme war noch nicht verklungen, da schnurrte der Zug dennoch schon los. Zeit, sich dieses Mysterium zu erklären, blieb allerdings nur zwei Stationen lang bis Puchheim. Dort ging es nicht mehr weiter. Das Unbestimmte drohte wieder. Erst unausgesprochen. Dann zwar nicht mehr live und auch nicht männlich, dafür aber weiblich und vom Band, und das im Drei-Minuten-Takt.

Zunächst bat die Frau die "sehr geehrten Fahrgäste" um etwas Geduld. Grund der Verzögerung: eine Weichenstörung. Die Dame wollte alle aber über weitere Informationen auf dem Laufenden halten. Kaum ausgesprochen, ertönte ein Gong und das nächste Tape spulte sich ab. Als weitere Informationen ertönte nun für "meine Damen und Herren" die Mitteilung, dass sich die Weiterfahrt verzögere - wegen eines verspäteten Gegenzuges. Und während die Angesprochenen über den Zusammenhang von klemmender Weiche und entgegenkommenden Zug sinnierten, legte die Dame vom Band nach - in verlässlichem Zeitrhythmus und in schönster Doppelfolge. Bis nach einer Viertelstunde der Verzögerungsgrund im zweiten Teil des Playbacks eine "Zugüberholung" wurde. Und in der Tat: Während der nächsten Minuten fuhr einerseits eine S-Bahn in die andere Richtung in die Station ein und rauschten andererseits zwei Regionalzüge an den Wartenden vorbei. Und während der Waggon noch in deren Fahrwind schaukelte, setzte sich die S-Bahn Richtung München in Bewegung. Die Dame vom Band musste sich nicht wie in einer Endlosschleife weiter wiederholen, was sicherlich wieder zu einem Riss geführt hätte, nämlich den des Geduldsfadens.

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