Mitten in Mauern:Phänomen in Randlage

So rückständig wie ländliche Orte wahrgenommen werden, sind sie oft nicht

Von Erich C. Setzwein

Fragte man einen Berliner, wo er denn genau wohne, könnte seine Antwort "Kennste nich, det is jot we de" lauten. Dann ist er vielleicht gar kein Hauptstädter, sondern einer, der im Einzugsbereich von Groß-Berlin lebt. Und ob man in einem Stadtplan mit Falk-Patentfaltung die Adresse des berlinernden Freundes herausfinden können wird, ist mehr als fraglich. Dieses j-w-d ist so janz weit draußen wie es, zum Vergleich, Weyhern, Zell oder Mauern im Landkreis Fürstenfeldbruck sind. Für einen Gröbenzeller etwa sind die drei kleinen Orte an den Grenzen zu den Nachbarlandkreisen wie böhmische Dörfer.

Nicht deshalb, weil sie für den Gröbenzeller unverständliche und unaussprechliche Ortsnamen hätten, sondern weil ein Bewohner des Ost-Landkreises in seiner München-Zentriertheit sich nicht vorstellen kann, dass woanders auch Menschen leben können. Also ganz nach dem wieder gehuldigten Franz Josef Strauß, der als seinerzeitiger Anführer der Latein-Lobby den Nicht-Lateinern und anderen Saupreißn erklärte, dass es außerhalb Bayerns kein Leben gebe und wenn doch, es keines sei ("Extra Bavariam nulla vita, et si est vita, non est ita").

Was außerhalb des eigenen Horizonts liegt, ist also höchstens einer Redewendung wert. Mauern wäre so ein Fleck auf der Landkarte, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Mag schon sein. Aber so ab vom Schuss liegt das Dorf gar nicht. Dort gibt es das Phänomen, dass sich Fuchs und Hase nicht mehr nachts begrüßen, sondern Guten Morgen sagen, wenn sie, wie am Dienstagmorgen, an der Kreisstraße beim Jexhof schnüren und hoppeln. Nicht bei Nacht und Nebel, nicht vor Tau und Tag, sondern bei strahlendem Sonnenschein. Nun sind es augenscheinlich Jungtiere, die sich Scherze mit den Verkehrsteilnehmern erlauben, indem sie so tun, als ob sie die Straße überqueren wollten. Könnte aber auch sein, dass die Kreisverkehrswacht jot we de einen Werbevideo dreht mit der Botschaft an alle "ABC-Schützen", vor Schulbeginn mal den neuen Schulweg einzuüben.

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