Süddeutsche Zeitung

Mitten in Kaltenberg:Selfies mit Ministerin

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Im digitalen Zeitalter ist eine prominente Wahlkämpferin ein überaus beliebtes Fotomotiv

Kolumne von Erich C. Setzwein

Die Macht der Bilder ist groß. Doch längst werden nicht nur die denkwürdigsten Momente festgehalten. Seit der Erfindung des Rollfilms und noch mehr seit Einführung der Digitalfotografie werden Abermilliarden von Aufnahmen gemacht, die früher in Fotoalben geklebt wurden, für die heute aber immer mehr Speicherplatz weltweit gebaut wird. Wurde damals ein besonderer Fotoabzug gerahmt, so werden nun digitale Aufnahmen auf Webseiten oder Pinnwänden sozialer Medien veröffentlicht. Das sicher beliebteste Bild eines Fotografen ist sein Selbstporträt, das in Instagram, Facebook- und Pinterestzeiten nur Selfie heißt. Wichtig ist nicht nur, dass der Fotograf gut drauf ist und mal kein Duckface macht, viel wichtiger ist, wer noch auf dem Bild ist. In Wahlkampfzeiten sind am wertvollsten die Selfies mit den berühmteren Parteipolitikern.

Bei der CSU, zum Beispiel, könnten sie eigentlich ein rollendes Fotostudio mitführen, wenn deren Landtagskandidaten Benjamin Miskowitsch im städtischeren Osten des zweigeteilten Stimmkreises auf Wahlkampftour geht oder Alex Dorow in seiner Lech-Heimat und im Brucker Westen. Denn nicht nur die beiden Spitzenkandidaten lassen sich gerne mit Ministerinnen ablichten, sondern auch Teile des Publikums. Manche sammeln sich regelrecht, um, wie unlängst in Kaltenberg, die Landwirtschafts- und Forstministerin Michaela Kaniber für ein Foto abzufangen. Dass die CSU-Politikerin dafür jene Zeit aufwendet, die ihr nachher beim Auftritt vor den wartenden Parteifreunden abgeht, ist ebenso denkwürdig wie das Bild, das die Brauerei mit der für Gerste, Weizen und Hopfen zuständige Ressortchefin stellt. Das Weißbier, mit dem angestoßen werden soll, ist längst im Glas und schaut eben so aus wie lackes Weißbier aussieht. Aber in dem Moment, in dem es dann zum Shooting kommt, steht ein Krügerl mit reinem Bierschaum bereit. Ein alter Trick der Schankkellner, von dem kaum jemand etwas bemerkt, aber die Ministerin und die Brauer können sich für den denkwürdigen Facebookmoment mit dem Weizen zuprosten, als sei alles lässig und cool.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2018
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