Mitten in Gröbenzell:Das neue Geschäft der Büchereien

In Bibliotheken kann man längst nicht mehr nur Bücher ausleihen, sondern auch Werkzeuge und neuerdings sogar Saatgut

Kolumne von Ingrid Hügenell

Schon lange sind öffentliche Bibliotheken keine stillen Orte einsamer Leser und Denker mehr, die stumm in staubigen Folianten blättern. Und das ist gut so. An manchen Nachmittagen füllen sehr lebendige Buben und Mädchen im Kindergartenalter einzelne Räume. Gebannt erleben sie beim Bilderbuchkino spannende Geschichten. Seit Jahren bieten städtische Büchereien Café-Ecken an, in denen man verweilen und in Büchern oder Zeitschriften schmökern kann. Das Konzept kommt an, es ist schon länger sehr erfolgreich auch in großen Buchläden. Manche Büchereien sind Lernorte für Schüler und Studenten mit kostenlosem Wlan. Und es geht noch weiter, auch im Landkreis weiten Bibliotheken ihre Portfolios immer mehr.

Menschen teilen gerne. Nicht jeder will alles besitzen, Bücher nicht, und andere Dinge auch nicht. Deshalb sind im Internet Plattformen beliebt, in denen sich Nachbarschaften verbinden. Dort kann man sich einen Akkuschrauber leihen, Möbel verschenken, vermisste Katzen suchen oder auch Schullektüren ausleihen. Das funktioniert fast wie eine Dorfgemeinschaft. Andererseits sprießen Bücherschränke an bald jeder Straßenecke, man kann dort Lesestoff einfach mitnehmen. Oder eigene Bücher in gute Hände weggeben. Deshalb ist Bücher ausleihen zwar das Kerngeschäft von Bibliotheken, aber längst nicht mehr das einzige.

Immer häufiger gibt es "Bibliotheken der Dinge", dort kann man zum Beispiel Backformen, eine Nudelmaschine oder Werkzeuge ausleihen, nach dem Motto: "Ich brauche nicht die Bohrmaschine, ich brauche das Loch in der Wand." Die Gemeindebücherei Gröbenzell ist besonders innovativ, sie hat natürlich ein Lesecafé und verleiht seit einem knappen Jahr Dinge, ist dafür auch ausgezeichnet worden. Es ist also nur auf den ersten Blick verwunderlich, dass man dort nun auch Saatgut ausleihen kann. Man sät die Pflanzen, hegt und pflegt sie und kann im Idealfall wieder reife Samen ernten, die man zurück in die Bücherei bringt, damit die nächste Hobbygärtnerin sie leihen kann. Das Gröbenzeller Bibliotheks-Team hat damit eine Idee aufgegriffen, die auch andernorts in Deutschland umgesetzt wird und helfen soll, die Vielfalt der Pflanzen zu erhalten.

So entsteht nach und nach in Gröbenzell, wie anderswo in den Büchereien, ein weiteres Archiv. Nicht eines von Gedanken und Geschichten. Sondern ein Archiv des Lebens selbst.

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