Süddeutsche Zeitung

Mitten in Graßlfing:Es führt ein Weg nach nirgendwo

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Warum hat ein Schild am Ortsausgang keine Aufschrift?

Kolumne von Florian J. Haamann

Die Straße nach Nirgendwo, einst besungen von Legenden wie Nat King Cole, den Talking Heads und Ozzy Osbourne, sie ist kein poetisches Bild, keine Zuflucht, kein unerreichbarer Sehnsuchtsort. Sie ist ein ziemlich banaler Verbindungsweg zwischen Graßlfing und Olching, ganz ohne Mittelstreifen oder gar Leitplanke. Dafür mit Ortsschild ohne Bedruckung. Auf der Straße nach Nirgendwo, da warten nicht Tränen, Mysterien oder die Suche nach Antworten - sondern Tempo 70. Und wer sie befährt, der ist ganz gewiss nicht wie die Heads auf der "road to paradise", wo "time is on our side", sondern landet relativ schnell auf der A 8, mit besten Chancen auf einen zeitraubenden Stau.

Wie genau also die Von-und-nach-Nirgendwo-Straße ausgerechnet in einer trüben Ecke am Rand des Landkreises entstanden ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Vielleicht war es ein eifriger Behördenmitarbeiter, der in seiner Freizeit in einer Ozzy-Osbourne-Coverband spielt und der seinem Idol ein Denkmal setzen wollte. Vielleicht ist in der zuständigen Bauhofbedarf-Druckerei just in dem Moment, als dieses wichtige Schild in der Maschine war, die Farbe ausgegangen und keiner hat es gemerkt. Möglich auch, dass ein gerissener Marketingmitarbeiter eines Verlags, in dem bald ein neues Kinderbuch mit dem Buchstabendieb erscheint, eine Guerilla-PR-Aktion vorbereitet.

In diesem Fall wäre das Ganze aber ein echter Reinfall. Denn was die Angelegenheit besonders kurios macht, ist die Tatsache, dass das Von-und-nach-Nirgendwo-Straßenschild nicht erst seit gestern zwischen Olching und Graßlfing steht und einfach nur noch nicht entdeckt wurde. Ein Blick ins redaktionseigene Fotoarchiv zeigt, dass es schon mindestens seit 2014, also volle sieben Jahre, in dieser Form existiert. Ein klarer Fall von Schildbehördenstreich.

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Quelle:
SZ vom 07.06.2021
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