Die Medienwelt ist einem steten Wandel unterzogen. Man könnte es auch etwas weniger distinguiert ausdrücken: Jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben, es ist eine stete Hatz um die knalligste Überschrift, um die Aktualität, um die interessanteste Geschichte. Kontinuität? Fehlanzeige. Im Blätterwald finden im Laufe der Jahre viele einst als Shootingstars gefeierte Zeitungen oder Magazine, deren Auflage alsbald heruntertrudelt wie braunes Herbstlaub von dürren Ästen, ihre letzte Ruhestätte.
Ach, gäbe es doch mehr Leserinnen wie jene aus Gernlinden. Der dieser ganze neumodische Kram völlig schnurz ist. Die nicht am Tablet liest, mit Nachrichtentickern im Internet ebenso wenig anfangen kann wie mit atemlosen Facebook-Posts und an der die Flut der Instagram-Bilder abprallt wie die Brandung am Riff. Jüngst organisierte Dritte Bürgermeisterin Waltraut Wellenstein im Haus Sankt Nikolaus einen Empfang, zu dem Lokalpolitiker, Bürgermeister sowie 45 Gernlindener kamen. Alle gratulierten Marga Wellenstein zum 100. Geburtstag. Man ließ die in Bremen geborene Mutter von fünf Kindern, siebenfache Großmutter und 17-fache Urgroßmutter hochleben.
Auch die Süddeutsche Zeitung gratuliert der früher auf Bundesebene erfolgreichen Leichtathletin herzlich und bedankt sich dafür, dass Marga Wellenstein dem Wandel der Medienwelt bis heute so standhaft die kalte Schulter zeigt und unbeirrt ihrer Zeitung die Treue hält. Mag es mit dem Hören auch nicht mehr so gut klappen, so geht es mit dem Lesen besser: Täglich liegt die Süddeutsche auf dem Frühstückstisch. Gäbe es eine deutsche Abo-Meisterschaft, Marga Wellenstein stünde gewiss ganz oben auf dem Treppchen. Seit 72 Jahren lässt sie sich die Zeitung ins Haus liefern; davor bezog sie den Vorgänger, die Münchner Neuesten Nachrichten.
Und deshalb gibt es für uns gleich zwei Gründe, Marga Wellenstein ganz herzlich zu gratulieren und ihr weiterhin beste Gesundheit zu wünschen. Hätten wir selbst zwei Wünsche frei, dann würden wir uns zum einen noch viel mehr Marga Wellensteins wünschen. Und zum anderen, dass sie neben der Zeitung die zusätzliche Lektüre bewältigt: Die Gernlindener haben ihr zum runden Geburtstag nämlich insgesamt 40 Bücher geschenkt.