Mitten in Fürtenfeldbruck:Ein Nähkurs fürs Leben

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Was man bei der Volkshochschule lernt, kann man immer brauchen. Oder auch nicht. Erfahrungen aus der Redaktion

Kolumne von Stefan Salger

Man lernt nie aus. Was die Schule für den Jugendlichen, das ist die Volkshochschule für den Erwachsenen. Über Kurse kann fast jeder was erzählen. Das wird auch bei der morgendlichen SZ-Redaktionskonferenz deutlich. Es zeigt sich, dass die Bandbreite von lebenslangem Nutzwert bis zu "Wissen, das niemand braucht" reicht. Zu nennen wäre da der Nähkurs, den der Redaktionsleiter in seinen Zwanzigern besucht hat - als einziger Mann unter älteren Frauen. Prädikat nützlich: Seither kann er auch Knöpfe per Kreuzstich wieder befestigen. Eine Kollegin in der Redaktion wiederum lernte bei der VHS das Zehnfingerschreiben, was die Berufspraxis erleichtert. Der Chef kann zwar mit Nadel und Faden umgehen und hat als Lebensleistung drei selbst genähte T-Shirts vorweisen. Seinen Zehnfingerschreibkurs bei der VHS aber hat er abgebrochen und malträtiert seither die Tastatur mit zwei Fingern.

Eine andere Kollegin hat einen Kurs über kreatives Schreiben belegt. Solches Wissen lässt sich beim Verfassen von Krimis verwenden, schadet aber auch der Dramaturgie eines Gemeinderatsartikels nicht. Und vom Keramikkurs jener Kollegin zeugt noch eine etwas windschiefe, dunkelgrün-gemaserte Vase. Ein Redakteur hat Beruf und Erwachsenenbildung kombiniert und über einen Kurs im Wurstmachen einen Bericht verfasst (seitdem geht er Bratwürsten weitgehend aus dem Weg), ein weiterer ist sich ganz sicher, dass er mal einen VHS-Kurs belegt hat, kann sich aber beim besten Willen nicht mehr erinnern welchen. Die Redaktionsassistentin könnte, wenn man ihr blöd kommt, einfach auf Kroatisch umschalten. Außerdem besucht sie aktuell noch einen Italienisch-Sprachkurs. Einem Mittdreißiger im Kollegenkreis wiederum sieht man es nach, dass er bislang ganz ohne VHS-Kurs durchs Leben kommt. Wenn er was nicht weiß, schaut er sich ein Youtube-Tutorial an. Schade allerdings für die VHS.

Den Autor dieser Zeilen freilich hat es besonders schlimm erwischt. Im Kurs Kfz-Motorentechnik lernte er einst, wie man eine Auto-Zündung fachgerecht einstellt. Damit kann in Zeiten kontaktloser Zündungen kein Mensch was anfangen. Und Ventile einstellen ist spätestens bei den Elektroautos passé. Wissen, das die Welt nicht mehr braucht. Hätte man mal lieber Zehnfingertippen gelernt. Oder Nähen. Da hätte man ein ganzes Leben was davon. Eine späte Erkenntnis. Aber man lernt halt nie aus.

© SZ vom 25.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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