Süddeutsche Zeitung

Mitten in Fürstenfeldbruck:Unlöschbare Worte

Es gibt sie noch, die handschriftlich verfassten Briefe - mit Schülern als Absender

Kolumne von Christian Hufnagel

Sehr geehrte Leser- und Leserinnen, wenn hiermit der Beginn dieser Zeilen etwas arg förmlich daherkommt, hat das natürlich seinen tieferen pädagogischen Sinn. Gilt es doch eine stille Beschäftigung in Erinnerung zu rufen und in ihrem Wert neu zu vermitteln, die in Zeiten von SMS-Schluderei und Whats-app-Flüchtigkeiten nicht allein von Sprachpuristen längst für tot erklärt werden musste. Wer also zum Schreiben eines Briefes ermutigen will, der sollte um dessen stilbildenden Aufbau wissen. Er muss im sogenannten Kopf mit Ort und Datum beginnen, dann mit der Anrede das Nachfolgende eröffnen, den eigentlichen Inhalt schließlich nicht irgendwie am Handy dahinwischen, sondern sich vor dem weißen Blatt Papier vorher genau überlegen, was und wie er Gedanken und Gefühle ohne Korrekturprogramme festhalten will, und den Schluss letztlich mit einer Grußformel ausklingen lassen.

Dass dieses altehrwürdige Kommunikationsmittel inclusive seiner Regeln durchaus erfolgreich wiederbelebt werden kann, hat nun die Brucker Realschule bewiesen. Aus der Erfahrung des ersten Lockdowns während der Pandemie entstand das Projekt "Schreiben gegen die Einsamkeit - Worte vereinen Jung und Alt". Die Schüler schrieben Karten und Briefe und schickten sie an Senioren- und Pflegeheime im Landkreis. In schönster Handschrift und fehlerfrei spornt etwa Pia die "lieben Bewohner" an, die Isolation durchzuhalten: "Es gibt Berge, über die man hinüber muss, sonst geht der Weg nicht weiter." Und Josephine schließt mit dem Appell: "Bleibt immer positiv, denn dann wird alles gut!"

Für diesen schriftlichen sozialen Einsatz wurden die Realschüler belohnt: Sie erhielten den mit 1700 Euro dotierten ersten Preis im "Prämien-Programm" des Landkreises. Und jenseits dieser Auszeichnung erlebte eine betreuende Pädagogin "eine der zauberhaftesten Geschichten" ihrer Lehrerlaufbahn. Zwischen einem Mädchen und einer 83-jährigen Heimbewohnern ist nämlich etwas entstanden, was in dieser Form in den jungen Internet-Generationen sicherlich Seltenheitswert haben dürfte: eine Brieffreundschaft. Mit dieser anrührenden Nachricht finden nun auch diese Zeilen ein Ende, aber nicht ohne den Dank für die Aufmerksamkeit - und in jedem Fall mit herzlichen Grüßen, wie es sich für den ordentlichen Schluss eines Briefes gehört.

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Quelle:
SZ vom 20.02.2021
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