Mitten in Fürstenfeldbruck:Sensationeller Vergleich

Um ein Ergebnis der Brucker Wasserballer richtig einordnen zu können, ist nicht einmal der FC Bayern gut genug

Kolumne von Christian Hufnagel

Würde es sich um Fußball handeln, könnte mindestens jeder Zweite mühelos das Ereignis in seiner Dimension einordnen und kommentieren. Ein willkürlicher Test, der dies unterstreichen kann, denn beim Namen TSV Vestenbergsgreuth klingelt es sofort: 14. August 1994, erste Pokalrunde, der fränkische Amateurverein empfängt den amtierenden deutschen Meister und schlägt den FC Bayern München mit 1:0. Sensationelleres trug sich in dieser Sportart und diesem Wettbewerb selten zu. Das weiß eben so gut wie jeder, der damals mindestens Kind war. Kommt ein derartiger David-gegen-Goliath-Sieg hingegen in einer Randsportart wie Wasserball vor, ist das mit der Mitfreude - oder natürlich auch dem Mitleid - schon deutlich schwieriger.

Der David in diesem Fall ist ein Verein aus Fürstenfeldbruck, der sich 1952 auf "Wasserratten" taufte, zu seinen Glanzzeiten Regionalliga spielte und sich auf der Homepage heute als "der letzte Mohikaner" der kleinen bayerischen Klubs in diesem Sport stilisiert. Die erste Herrenmannschaft wird dort als "Ansammlung außergewöhnlicher Menschen" beschrieben und auch als "sehr nette Truppe". Weniger ihrem offensichtlich zwischenmenschlichen Charme haben es die Freizeitsportler aber wohl zu verdanken, dass ihnen laut Pressesprecher nun "eine der größten Pokalsensationen der vergangenen 20 Vereinsjahre" gelungen ist. Die Brucker erreichten das bayerische Pokalfinale mit einem Sieg über den 1. FC Nürnberg Schwimmen, dabei seien sie auch noch "mit einem stark dezimierten Notaufgebot angetreten". Der Gegner hätte eigentlich nicht extra als "haushoher Favorit" überhöht werden müssen, Zahlen sprechen für sich: In den vergangen zehn Jahren haben die Franken in der Oberliga und im Pokal ein einziges Spiel verloren, jetzt folgte das zweite.

Weil der selbsternannte "Sensations-Pokalfinalist-Pressewart" dem Laien aber nicht zutraut, dass der die Leistung emotional richtig würdigen kann, versucht er es mit dem Naheliegenden, dem Fußball: "Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr einem Sieg des SC Fürstenfeldbruck, der dabei auf reihenweise Leistungsträger verzichten muss, gegen den TSV 1860 München." Ein sensationeller Vergleich. Ausgerechnet die Löwen als geschlagener Sparringspartner sollen das Unglaubliche bewusst machen? Das dürfte zu tief gestapelt sein. Denn es hätte ja nicht einmal ein Vergleich mit dem Fußball-Rekordmeister gereicht. Selbst der übergroße FC Bayern hat nie eine solche Siegesserie wie die Nürnberger Wasserballer hinbekommen. So ist die Pokalsensation der Brucker aus Mangel an Vergleichsmöglichkeiten am Ende wohl gar nicht zu beschreiben.

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