Mitten in Fürstenfeldbruck:Leicht ist schwer was verständlich

Manche Mitteilung quillt über vor Unverständlichkeit und verdeckt so die Leere ihrer Botschaft

Von CHRISTIAN HUFNAGEL

Syntax und Semantik sind oft dermaßen kompliziert konstruiert, dass das Rezeptionsvermögen vor böhmischen Dörfern steht. Verstanden? Wenn nicht, anders formuliert: Zuweilen drückt sich der Mensch so geschwollen aus, dass der Leser wenig, nichts oder sogar nur einen Bahnhof versteht. Noch kürzer: Leicht ist schwer was verständlich. Und weil dem unausrottbar so ist, bemüht sich seit Jahren der Verein "Netzwerk. Leichte Sprache", den Anwendern die diesbezüglichen Flausen auszutreiben - vor allem jenen in den Behördenstuben. Diese müssten nur ein paar simple Regeln beherzigen: Die Sätze sollen nicht mehr als drei Glieder (Syntax) haben, kurz, aktiv und nur mit einer Aussage (Semantik) sein. Zudem sollen sie auf bildhafte Sprache (böhmische Dörfer), abstrakte Begriffe und Fremdwörter (Rezeptionsvermögen) verzichten. Diesem Stil will auch das Landratsamt folgen. Pressemitteilungen sollen ohne Behördendeutsch auskommen. So der Vorsatz.

In der Praxis flutscht freilich immer wieder mal ein Exemplar hinaus, das den Leser schon in der Überschrift durchaus vor ein Rätsel stellt, will er denn wissen, um was es da konkret geht. "Der Landkreis Fürstenfeldbruck kooperiert mit der Transferagentur Bayern und baut kommunales Bildungsmanagement auf." Klingt gewaltig. Angeleitet von Spezialisten, will man einem Ziel, nämlich "Bildung für alle", näher kommen und "lebenslanges Lernen in der Kommune" fördern. Wie? Das verstellen Substantivballungen: Koordination der Akteure aus dem Bildungsbereich, Umsetzung eines Bildungsportals und Ausbau des bestehenden Berichtwesens - das möchte die neue Zusammenarbeit zeitigen.

Ein gehörig Maß an Abstraktionsvermögen wird da schon verlangt. Andere Ämter stehen freilich in dieser Herausforderung in nichts nach. Jenes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aus Fürstenfeldbruck teilt mit Stolz mit: "Junge Wissenschaftlerin erhält Laura Bassi Preis." Eine Doktorandin hat über "Gesund leben in der Schwangerschaft" geforscht und ist offenbar zu folgendem bedeutsamen Ergebnis gelangt: Wenn eine schwangere Frau sich nur ausführlich genug in Sachen Ernährung beraten lässt, kommt sie um ein Übergewicht herum - und damit auch ihr Kind. Die Preisträgerin wird dazu mit folgenden Worten der Begeisterung zitiert: "Endlich wird ein Lebensstil-Interventionsprogramm im Rahmen einer großen Interventionsstudie nach wissenschaftlichen Kriterien evaluiert." So lässt sich Freude auch ausdrücken. Wer sich nun in Fürstenfeldbrucker Dörfern wähnt, dem sei wenigstens mit der Aufklärung über diese Redensart hinausgeholfen: Deutschsprachige, die zu Zeiten der Habsburgermonarchie durch Dörfer Böhmens reisten, verstanden weder Ortsschilder noch Bevölkerung. Und das sollte ihnen heutzutage in Fürstenfeldbruck doch nicht passieren.

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