Süddeutsche Zeitung

Mitten in Fürstenfeldbruck:Die Tage nach dem Stollen

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Zu Silvester gibt es nichts Besonderes. Nicht einmal eigenes Gebäck

Kolumne von Christian Hufnagel

Silvester ist im Grunde eine eher traurige Angelegenheit. Jeder geht mit größten Erwartungen in diese Nacht hinein, um in der Regel von der Sause gnadenlos enttäuscht zu werden. Corona macht es dem Feierwütigen zudem erneut noch schwerer, auf eine beschwingte Laune zu kommen. Und wieder kann er seine Stimmung nicht einmal mit bunter Knallerei aufhellen. Selbst im Kulinarischen finden sich weder Trost noch Halt. Zumindest was das Backwerk angeht, das sonst zu jeder Zeit mit schmackhafter Ablenkung aufwartet. Nein, muss Werner Nau einräumen, "zu Silvester gibt es nichts Spezielles". Allerhöchstens Baguette würde dem Innungsobermeister der Bäcker im Landkreis einfallen. Selbst längst vergessene Brauchtumsschöpfungen wie weiland der Allerseelenzopf oder das Allerheiligensteigerl sind nicht erinnerlich. Die Auslagen in den Bäckereien können zum Jahreswechsel mit nichts Besonderem locken.

Und das kurz nach der "Hochkultur der Backwaren", wie der Grunertshofener den Advent für sein Handwerk bewertet: Lebkuchen, Plätzchen, Stollen: "Alles zu seiner Zeit", sagt der 57-Jährige und verweist etwa auf den Fladen zu Ostern oder den Krapfen zu Fasching. Er beherzigt diese Traditionen, sodass es das weihnachtliche Backwerk bei ihm nicht vor dem ersten Advent gibt. Nau ärgert sich dann auch über die Supermärkte, deren Regale schon im Spätsommer voll damit sind. Mit der Folge, dass "zu Weihnachten alle übersättigt sind". Und nach den Feiertagen kann keiner mehr Stollen oder Plätzchen sehen. Alles gibt es nur noch zum halben Preis. Aber selbst dieses Sonderangebot vermag es nicht, dem Kunden zu munden. Auf ein "bisserl was" würde Nau das Geschäft damit gerade noch taxieren.

Grundsätzlich liebt es der Innungsobermeister, wenn seine Zunft übers Jahr Abwechslung bietet. Und es eben Fixpunkte gibt, an denen mit einer Ware Schluss ist: "Somit kann man sich auf etwas freuen." Auf den Krapfen zu Fasching, den Fladen zu Ostern, den Stollen zu Weihnachten. Nur zu Silvester wird es schwer, aber nicht gänzlich unmöglich. Das große Backwerk wurde nie erfunden, aber die Konditoren erschufen wenigstens die Glücksbringer aus Marzipan. Die süßen Schweinchen, Fliegenpilze und Hufeisen zieren die Vitrinen der Bäckereien und lassen selbst dieses trübe Corona-Silvester etwas freundlicher erscheinen.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2021
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