Süddeutsche Zeitung

Mitten in Fürstenfeldbruck:Der Sünder im Halteverbot

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Wer parkt denn eigentlich am Brucker Bahnhof? Ein verbaler Streit aus dem Stadtrat

Von Stefan Salger

Kleine Sünden bestraft der liebe Gott bekanntlich sofort. Und weil er das weiß, muss Hardy Baumann von der Brucker Bürgervereinigung gar nicht mehr eingreifen und kann geduldig warten, bis der Blitz herniederfährt. Andreas Lohde kümmert sich um die Angelegenheit. Der kennt sich aus, wenn's wo brennt, ist er doch Feuerwehrmann. Außerdem gehört er der CSU an und unterrichtet am Gymnasium im Fach Religion - hat mithin also einen direkten Draht nach ganz oben (zu Seehofer und zu Gott). Hans Schilling, der ebenfalls dem Lager der Christsozialen angehört, ereilt letztens auf der Sitzung des Verkehrsausschusses im Rathaus also in gewisser Weise die gerechte Strafe, als er sich - mit gespielter Theatralik - über Autofahrer echauffiert, die regelmäßig das städtische Parkdeck am Brucker Bahnhof blockieren. "Des san koane Brucker", wettert Schilling, "de kemma vo Puch rüber." An der BBV-Bank gegenüber läuft ein Kopf dunkelrot an. "Waaas?" ruft Hardy Baumann, wohnhaft in Puch. Der Weiler hat bekanntermaßen 1978 durch die Eingemeindung das Image des kleinen, wehrhaften gallischen Dorfs abgestreift und fristet seither als Fürstenfeldbrucker Ortsteil ein beschauliches Dasein. Und dann muss man sich so mobben lassen, als wäre Puch die Pariser Trabantensiedlung Noisy-le-Sec oder ein Para wie die berüchtigte Bronx.

Bevor der verbale Schlagabtausch eskaliert, meldet sich Andreas Lohde zu Wort. Im Singsang eines Predigers liest er dem Schilling Hans die Leviten. Dem stehe es nicht zu, sich über die Pucher zu erheben, während er selbst - sinngemäß - ein wichtiges Gebot übertrete: Du sollst deinen Lieferwagen nicht in der Feuerwehranfahrtszone des Rathause parken. Das sitzt. Schilling muss gar nicht aus dem Fenster sehen. Er weiß, dass das ins fahle Licht der Laterne getauchte, aus einem Schild und einem weißen Wagen bestehende Stillleben der Sünde den Fahrer nicht im besten Licht erscheinen lässt - mag dieser auch mitten in Bruck wohnen. Wenn man sich's recht überlegt, ist der Hardy ist ja auch eigentlich ein hochgeschätzter Kollege.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2017
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