Mitten in Fürstenfeldbruck:Alte Männer, junge Medien

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Der Bibliotheksbericht ist für ein paar Stadträte Grund zum Lamentieren über die Jugend. Doch das ist falsch

Kolumne von Peter Bierl

Die Statistik der Fürstenfeldbrucker Stadtbibliothek Aumühle wird von Kulturpessimisten mit schöner Regelmäßigkeit genutzt, um über den Verfall im Allgemeinen und die Dummheit der Jugend im Besonderen zu lamentieren. Auch die beiden Gymnasiallehrer Klaus Quinten (BBV) und Christian Stangl (Grüne) ließen sich die Chance kürzlich nicht entgehen, als die Leiterin Diana Rupprecht ihren Jahresbericht im Kulturausschuss vortrug. Die Zahl der ausgeliehenen Romane sank zwischen 2014 und 2018 um fast ein Drittel, Gleiches gilt für fremdsprachige Literatur. Auch Sachbücher bleiben immer öfter im Regal stehen. Die Lesekompetenz der Jugend lässt nach, bilanzierte Quinten.

Das Lamento der Alten über den missratenen Nachwuchs ist seit der Antike ebenso bekannt wie falsch. Der Mäkelei widerspricht, dass in der Aumühle die Ausleihe von Kinderbüchern im gleichen Zeitraum gestiegen ist. Bei den Neuanmeldungen von Nutzern haben Kinder und Jugendliche die Nase deutlich vorne.

Weiter monierte Quinten, dass das Bibliothekspersonal es versäume, aktuelle Kinofilme in Form von DVD anzuschaffen. Man möchte ihn darüber aufklären, dass sich Verbreitungs- und Vertriebsformen von laufenden Bildern stark verändert haben. Darum sind Videokassetten inzwischen komplett aus dem Sortiment der Stadtbibliothek verschwunden und die Ausleihe von DVDs ist in vier Jahren von mehr als 63 000 auf knapp 43 000 geschrumpft. Im Zeitalter sogenannter Streamingdienste wäre es wohl Geldverschwendung, würden die Mitarbeiter noch in dieses aussterbende Format investieren.

Technischer Fortschritt muss kein Nachteil sein. Als der Buchdruck die Pinselei der Mönche ablöste, war erstmals das geschriebene Wort potenziell allen zugänglich und nicht nur ein paar Klerikern und Reichen. Das Internet enthält allerlei Quatsch, bietet aber die Chance, Meinungsmonopolisten und Diktatoren zu umgehen. Grundsätzlich gilt, es kommt auf den Inhalt an, nicht auf die Form.

Die entscheidende Neuerung in der Aumühle wie in vielen anderen Bibliotheken ist, dass sie im Zeitalter der Digitalisierung eine neue Funktion bekommen: sie verwandeln sich in soziale Treffpunkte, in Räume der Begegnung, des Austauschs und der Kommunikation. Zahlenmäßig ist das schwer zu fassen, man müsste sich von der Fernsehcouch erheben und selber hingehen. Aus der reinen Statistik ließe sich lediglich die Empfehlung ableiten, die Aumühle in eine Spielhölle zu verwandeln: Wachstum verzeichnen die Sparten Konsolenspiele, Karten und Spiele.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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