Süddeutsche Zeitung

Mitten in Esting:Verbaler Volltreffer

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Ein Duell Mann gegen Mann mit zwei Schüssen

Kolumne von Christian Hufnagel

Mit der Begrifflichkeit geben diese Vereine ein fürwahr buntes Bild ab. Einerseits klingen sie ja nach reinster Idylle, als ob es sich um beseelte Wandergruppen und schwärmerische Naturliebhaber handeln würde, welche sich unter Namen wie Almrausch Germering, Amperlust Esting, Eichenlaub Unterschweinbach oder gleich Gemütlichkeit Türkenfeld zusammengefunden haben. Dass ihr Ziel freilich ein ganz anderes ist, als den Berg hinauf zu stiefeln oder am Fluss entlang zu schlendern, ist nicht zu erahnen. Selbst die altertümliche, wenn nicht etwas arg unglückliche Bezeichnung der regionalen Dachverbände würde nur geschichtsbewusste Pazifisten auf den Beschäftigungsinhalt der Mitglieder führen. Am Gau haben die Vereine bekanntlich bis heute festgehalten, unter dieser unscharfen Bezeichnung sind sie organisiert und haben sie etwa vor kurzem den 37. Gau-LP-Wanderpokal ausgetragen. Ein Wettbewerb für nicht weniger als 64 Vereine im Landkreis, denen wiederum sagenhafte 6613 Mitglieder angehören.

Tausende frönen im Landkreis also einem Hobby, das als so sportlich eingestuft wird, dass es bis heute olympisch ist: dem Schießen. Und da so viele Menschen diesem Freizeitvergnügen nachgehen, dürfen sich Kommunalpolitiker vor den Schützen nicht wegducken, sind diese in jedem Ort eine potenzielle Wählergruppe, deren Wünsche ernst genommen werden. Die können dann schon mal teuer werden, wie jüngst in Puchheim, wo die Stadt die Schießanlage im Sportzentrum für rund 450 000 Euro sanieren muss und wird. Schließlich stehen die Schützen dort aufgrund einer offensichtlich maroden Belüftungsanlage in Staub und Rauch, was das Landratsamt nicht duldet und ja auch nicht wirklich gesund klingt. Und Sport soll ja zuallererst die Gesundheit fördern.

Ob es allerdings jüngst beim Waidmannsheil Neu-Esting förderlich für das Wohlbefinden zuging, muss bang in Frage gestellt werden, liest sich die Pressemitteilung doch ein wenig besorgniserregend. "Mann gegen Mann" sei es gegangen, zwei Schüsse hatte jeder für das Duell mit einem direkten Konkurrenten. Und nur wer die besseren Nerven besaß, habe sich Hoffnung auf den Sieg machen können. Was man gerne glauben mag, hat es sich bei diesem Wettbewerb um ein "K.O.-Schießen" gehandelt - und damit in jedem Fall um einen verbalen Volltreffer.

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Quelle:
SZ vom 02.12.2017
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