Süddeutsche Zeitung

Mittelstten:Mit Hammer und Freude

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Seit seiner Kindheit macht Benno Kuttenkeuler eine Reittherapie in Hanshofen, dabei entdeckt er seine Leidenschaft für Pferde. Nun hat der 18-jährige Schüler aus Fürstenfeldbruck ein Praktikum bei Martin Rest, dem Schmied des Stalles, absolviert

Von Lucia Weigl, Hanshofen

"Er ist ein richtiger Pferdeprofi", sagt die Reittherapeutin Lucia Gattermann über Benno Kuttenkeuler. Bereits seit seinem fünften Lebensjahr besucht der 18-Jährige aufgrund einer geistigen Behinderung eine von Gattermanns heilpädagogischen Reittherapien auf im Stall "Tashina Haila" in Hanshofen bei Mittelstetten. Mit jedem Jahr habe er Fortschritte gezeigt, erzählt sie. Dass Kuttenkeuler jetzt ein Praktikum bei Hufschmied Martin Rest absolviert hat, sei ein weiterer großer Schritt, den er sehr erfolgreich gemeistert hat. Schon früher habe Kuttenkeuler immer interessiert zugesehen, wenn der Hufschmied auf dem Gelände arbeitete, erzählt Gattermann.

Als dann die Berufswahl in der Schule thematisiert wurde, schlug sie Kuttenkeuler und seiner Mutter Petra das Praktikum vor. Es sei genau das Richtige für ihn, findet sie. Eine Woche lang begleitete Kuttenkeuler dafür Martin Rest bei seinen Aufträgen rund um Gaißach bei Bad-Tölz. Kuttenkeuler und seine Mutter sind dafür extra in eine Ferienwohnung in Murnau gezogen. Wie er bei den nötigen Handgriffen wie zum Beispiel die Hufe abnehmen, den Huf ausschneiden, die neuen Eisen anpassen und aufnageln, helfen kann, lernte Kuttenkeuler schnell. So ist er bald zu einer großen Unterstützung für Rest geworden. Die gemeinsame Arbeit habe die beiden zu einem eingespielten Team gemacht, so Rest.

Fast ohne miteinander zu sprechen, verstehen sie sich genau und arbeiten auf einander abgestimmt. Sobald beispielsweise der nächste Schritt ansteht, reicht Kuttenkeuler Rest ganz selbstverständlich die richtigen Werkzeuge. Seine Aufgaben wie das Ausnageln der Hufeisen bewältigt Kuttenkeuler gewissenhaft und konzentriert. Nur das geruchsintensive Aufbrennen der neuen Hufeisen habe ihm nicht gefallen, erzählt er. Auch eine eigene Mappe hat er über die Praktikumszeit angefertigt. Darin hält er all sein Fortschritte und das Gelernte fest. Außerdem hat er eine Landkarte hinzugefügt, auf der alle Orte eingezeichnet sind, die er während des Praktikums besucht hat. Der Spaß kommt auch beim Arbeiten nicht zu kurz. "Wir lachen viel", berichtet Rest. Es sei eine humorvolle und harmonische Atmosphäre zwischen den beiden entstanden. "Es hat Spaß gemacht", lautet Kuttenkeulers Fazit über das Praktikum.

Dass es ihm heute leichter falle, so fokussiert zu arbeiten, sei auch Teil des Erfolgs des wöchentlichen heilpädagogischen Reitens, berichtet Gattermann. Zu Beginn sei es ihm schwer gefallen, 15 Minuten bei einer Sache zu bleiben. Mithilfe seines Therapiepferdes Rosi, einer Haflinger-Stute, erarbeitete er sich mehr Konzentration und auch Selbstvertrauen. Pferde seien nämlich Tiere, die bedingungslos auf Menschen zugehen und sie annehmen, erklärt Gattermann. Gerade für Menschen, die sich mit sozialer Interaktion mit Mitmenschen schwer tun, sei das Arbeiten mit Pferden hilfreich. Die nonverbale Kommunikation zwischen Mensch und Pferd sei für viele Schüler eine erste Annäherung.

Inzwischen reite Kuttenkeuler manchmal auch selbständig aus. "Die Arbeit im Freien mit meinen Lieblingstieren, den Pferden, macht mir besonders viel Spaß", sagt Kuttenkeuler. Auch die anderen sind sich einig: Bei den Pferden fühle er sich einfach wohl. Auch seine Mutter ist stolz auf das erfolgreiche Praktikum: "Es passt super zu ihm". Besonders die Routine im Beruf des Hufschmieds sei hilfreich für ihn. Der fast immer gleiche Ablauf helfe ihm, bei der Arbeit konzentriert zu bleiben. Trotzdem bestehe eine gewisse Abwechslung, da man die gelernten Abläufe bei anderen Pferden und auf anderen Höfen abrufen muss.

Der Besitzer des Reitstalls, Innozenz Näßl, zeigt sich ebenfalls begeistert. Er kennt Benno bereits seit Beginn der Reittherapie und erfreue sich an jedem seiner Fortschritte. Auf seiner Reitanlage bietet Näßl neben den Therapien von Gattermann auch Westernreiten und das Reiten auf Islandpferden an. Dass auf seinem Hof so viele unterschiedliche Menschen zusammenkommen, mache ihn stolz. Es herrsche eine familiäre und inklusive Atmosphäre, jeder sei willkommen.

Für die Zukunft können sich alle vorstellen, dass Kuttenkeuler einen Beruf in dieser Richtung ergreif. Er selbst ist sich aber noch nicht ganz sicher. Bis zur Berufswahl hat er auch noch zwei Jahre Zeit. Nach dem Ende seiner Schulzeit an der Cäcilien-Schule in Fürstenfeldbruck im September besucht er nämlich den Berufsbildungsbereich der Brucker Werkstatt. Wie seine Mutter erzählt, sind dann auch noch weitere Praktika geplant. Bis dahin kann Kuttenkeuler Rest bei seinen nächsten Besuchen an der Reitanlage in Hanshofen wieder tatkräftig unterstützten.

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SZ vom 28.07.2021
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