Menschen ohne Bleibe:Herbergssuche im Jahr 2016 nach Christi Geburt

Flüchtlinge am Busbahnhof in München, 2015

Flüchtlinge schlafen in einer kalten Novembernacht am Fuße einer Treppe am Zentralen Omnibusbahnhof in München, wo sie gestrandet sind.

(Foto: Florian Peljak)

Im Landkreis leben viele Menschen, die wie Maria und Josef in der Weihnachtsgeschichte ein Dach über dem Kopf suchen und nur geringe Chancen haben, eine Bleibe zu finden. Ämter, Sozialarbeiter und eine Asylhelferin berichten über vier typische Fällen

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Die Herbergssuche von Josef und der hochschwangeren Maria in Bethlehem, wie sie am 24. Dezember in Krippenspielen und Weihnachtsgeschichten dargestellt wird, hat auch 2016 Jahre nach Christi Geburt nichts an Aktualität verloren. Das zeigen vier Beispiele von Menschen aus dem Landkreis, die auf der Suche nach einer Wohnung oder einem neuen Zuhause sind. So warten im Landkreis zurzeit etwa 750 berechtigte Haushalte auf eine Sozialwohnung. Die durchschnittliche Wartezeit auf eine geförderte Wohnung wird mit zwei bis vier Jahren angegeben. Wer eine Vierzimmerwohnung braucht, muss sich allerdings noch viel länger gedulden.

Der Obdachlose

Auf Herbergssuche ist beispielsweise ein Rentner aus dem Landkreis, der bis zum Tod seiner Frau ein ganz normales bürgerliches Leben führte und sein Leben im Griff hatte. Der Verlust der Lebenspartnerin warf den Mann jedoch aus der Bahn. Er war psychisch am Ende, wurde depressiv und konnte sich um nichts mehr kümmern. Zudem reichte seine Rente nach dem Tod der Frau nicht mehr für die viel zu große Wohnung. Der Witwer hätte sich eine kleinere suchen müssen, wozu er nicht mehr in der Lage war. Weil der Mann mit der Miete in Rückstand geriet, die Dinge schleifen ließ und sich um nichts mehr kümmerte, folgte auf die Kündigung des Mietverhältnisses die Räumungsklage. Als der Mann obdachlos auf der Straße stand, musste er in Fürstenfeldbruck in einer Notschlafunterkunft der Caritas nächtigen.

Für Heinrich Baumann, Leiter der Beratungsstelle für wohnungslose Menschen im Landkreis, ist das ein ganz typischer Fall für jemanden, der ein normales Leben führte und plötzlich nicht mehr weiß, wo er schlafen soll. So etwas passiere dann, wenn der soziale Halt verloren gehe. Den ersten Schritt, um aus der Notlage herauszukommen, hat der Mann bereits getan. Laut Bauman ist diese Haltung, sich einzugestehen, dass man am Ende ist, eine wichtige Voraussetzung, um wieder Fuß fassen zu können. Der Mann lebt inzwischen in einer vorübergehenden Unterkunft. Gelingt es ihm, in den kommenden Monaten eine kleine Wohnung zu finden, die er sich leisten kann, hätte er eine schwierige Lebensphase überstanden. Heinrich Baumann ist optimistisch, dass dies gelingt.

Die Flüchtlingsfamilie

Auf der Suche ist auch Familie Ismail aus Syrien. Mit ihren vier Buben zwischen einem und 15 Jahren leben die Eltern seit 13 Monaten in nur einem Zimmer einer überbelegten Containeranlage in einer großen Gemeinde im Landkreis. Liebevoll und fürsorglich bemühen sie sich dort laut einer Asylhelferin, die sich um sie kümmert, um etwas Normalität und Ruhe in der schwierigen Wohnsituation.

Die drei Schulkinder im Alter von sieben, zehn und 15 Jahren dankten es ihren Eltern mit Wohlverhalten und sehr guten Lernergebnissen. Doch der Lärm und die Unruhe in der Gemeinschaftsunterkunft bis spät in die Nacht, die drangvolle Enge in der einzigen Herrentoilette und Dusche für 26 Männer und Buben und der mühevolle Zugang zum über einen Zeitraum von fünf Monaten einzigen Herd für insgesamt 36 Bewohner erschweren den Tagesablauf erheblich. Kunststoffwände und -böden transportieren Geräusche ungebremst durch alle Räume und hindern die Schulkinder und das Baby am Einschlafen. Weint es nachts, sind auch die Schulkinder wieder wach.

Wird endlich Ruhe in der Anlage, ist es bald Zeit zum Aufstehen, und die Kinder sind kaum wach zu bekommen, um rechtzeitig in die Schule zu gehen. Für die verantwortungsbewussten Eltern ist diese Situation unerträglich. Der 38-jährige Herrenfriseur und die 34 Jahre alte Schneiderin wünschen sich deshalb inständig eine eigene Wohnung, um ihren Kindern einen ruhigen lern- und entwicklungsförderlichen Alltag bieten zu können. In eine neue Nachbarschaft wollen sie sich dafür tatkräftig einbringen.

Das Pflegekind

Bei einer Pflegefamilie sucht auch der vier Jahre alte Josef (Name geändert) im Landkreis Fürstenfeldbruck ein neues Zuhause und Geborgenheit. Laut Maria Minge vom Jugendamt kann sich dessen psychisch erkrankte Mutter nicht ausreichend um ihren Buben kümmern. Auch Verwandte können das Kind nicht in Pflege nehmen, weil sich daraus Konflikte mit der Mutter ergäben. Zum Wohle des Kindes bliebe deshalb nur die Aufnahme in eine Pflegefamilie. Da die Mutter dort ihren Sohn besuchen darf, wird laut Minge deren Kontakt zu Josef nicht abbrechen, sich aber mit der Zeit reduzieren. Das Schicksal von Josef ist kein Einzelfall im Landkreis. In einem Jahr sucht das Landratsamt für fünf bis zehn Kinder Pflegeeltern. Als typisch für die Situation von Josef bezeichnet Minge die psychische Erkrankung von dessen Mutter. Diese verhindere auf Dauer, dass sie eine normale Beziehung zu ihrem Sohn aufbauen kann. Deshalb genügt es von einem gewissen Alter an, eine solche Familie mit sozialpädagogischen Familienhelfern zu unterstützen.

Die Mutter mit sechs Kindern

Laut einer sozialpädagogischen Familienhelferin, die in Puchheim eine alleinerziehende Nigerianerin betreut, wartet die Mutter von sechs Kindern seit zwei Jahren sehnsüchtig auf eine Sozialwohnung mit vier Zimmern. Findet sich nicht bald eine Lösung, besteht die Gefahr, dass die Familie auseinandergerissen wird. Dann müsste eine mehrfach schwerst behinderte Tochter in eine Pflegeeinrichtung eingewiesen werden. Zwei ältere Kinder, von denen eines eine Ausbildung macht und ein anderes eine Wirtschaftsschule besucht, müssten wohl in ein Ausbildungswohnheim ziehen. Selbst dann hätte sich die Mutter noch um zwei kleinere Kinder und um eine geistig behinderte Tochter zu kümmern. Eine Übergangswohnung für die sieben Personen konnte nur gefunden werden, weil sie eine schimmlige Bleibe zogen. Inzwischen steht die Sanierung an, der Besitzer hat Eigenbedarf angemeldet. Über Berechtigungsscheine des Landratsamts und der Stadt Bruck für eine Sozialwohnung verfügt die Familie. So lange es jedoch keine freie Wohnung gibt, helfen die Scheine nichts. Die Mutter zog vor drei Jahren mit ihren Kindern nach Puchheim um, weil sie am vorherigen Wohnort Ausländerfeindlichkeit erlebt und Gewalterfahrungen gemacht hatte. In Puchheim ist die Familie integriert und fühlt sich wohl. Für eine Mietwohnung werden der Nigerianerin 1000 bis 1200 Euro im Monat gewährt. Wer eine Wohnung vermitteln oder vermieten will, kann sich ans Sozialamt Puchheim (089/80 09 80) wenden.

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