Mein Tag:Promotion mit 76 Jahren

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Foto: Günther Reger (Foto: N/A)

Rentner Klaus Sommer hat ein Archäologiestudium absolviert

Von Ariane Lindenbach

"Bei Syrien denkt heute jeder nur noch an Bürgerkrieg. Ich möchte zeigen, dass es da noch viel mehr gibt", sagt Klaus Georg Sommer und hält deshalb an diesem Donnerstag einen Vortrag über die Bedeutung dieses Fleckens Erde für die Entwicklung der Menschheit. Der 76-jährige Gernlindner, der mit dem Eintritt in den Ruhestand sein Studium der Archäologie begann und inzwischen promoviert hat, wird in seinem Referat zwei Themen in den Blick nehmen: Göbekli Tepe, eine Art steinzeitliches Stonehenge, und Ugarit, "eine Riesenhafenstadt, wie das Rotterdam oder Hamburg der Bronzezeit". In seinem Vortrag wird der studierte Volkswirt Sommer erläutern, warum sich dort die Schrift entwickelt hat. Und weshalb diese prosperierende Stadt am östlichen Mittelmeer um 1200 vor Christus schlagartig verlassen wurde. Darüber hat Sommer auch ein Buch geschrieben: "Der 21. Januar 1192 v. Chr.: Der Untergang Ugarits?"

Sommer, der schon während seines Studiums in den Sechzigerjahren immer wieder Archäologie-Vorlesungen besucht hatte, setzte seine zweite Karriere zielstrebig um. "Als ich dreiundsechzigeinhalb war, habe ich mir gedacht, jetzt ist es Zeit, was anderes zu machen." Zum 30. September 2003 beendete der Volkswirtschaftler seine Tätigkeit als Leiter des Mitgliederservices beim ADAC, "und am 1. Oktober war ich Student der LMU, ein nahtloser Übergang", stellt der drahtige 76-Jährige mit zufriedenem Lächeln fest. Wie er berichtet, bekam er seine Promotionsurkunde just an seinem 76. Geburtstag ausgehändigt. Den Kontakt zu seinem Institut an der Ludwigs-Maximilians-Universität München hält er nach wie vor, um Vorlesungen zu hören oder selbst welche zu halten, oder zum Informationsaustausch für seine Aufsätze, die er in Magazinen wie Spektrum der Wissenschaft veröffentlicht.

Den geschichtsinteressierten Zuhörern in Gernlinden will Sommer die unglaubliche Leistung näher bringen, die die Menschen vor etwa 12 000 Jahren vollbrachten, als sie die mutmaßliche Kultstätte Göbekli Tepe im Süden der Türkei an der Grenze zu Syrien errichteten. Dort wurden kreisförmige Anlagen gefunden, mit sieben Meter hohen, bearbeiteten und verzierten Steinpfeilern. "Wenn man diese Anlage sieht, muss man davon ausgehen, dass mehrere Hundert oder Tausend Menschen regelmäßig daran gearbeitet haben." Das setze viel Organisation der damals als Nomaden lebenden Menschen voraus, begonnen dabei, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verabreden, bis zur Versorgung der Arbeiter mit Nahrungsmitteln und Wasser.

Ausführlicher wird Sommer freilich über die bronzezeitliche Hafenstadt Ugarit sprechen. Etwa darüber, weshalb sich durch die Sesshaftwerdung der Menschen die Notwendigkeit einer einheitlichen Sprache ergab. Und warum dort am östlichen Mittelmeer der Ursprung des heutigen Alphabets liegt. Auch seine Ausführungen zum plötzlichen Untergang der Stadt gibt es zu hören.

Vortrag über "Die Schätze des alten Syrien", Donnerstag, 30. März, 19.30 Uhr, Pfarrsaal Gernlinden

© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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