Süddeutsche Zeitung

Mein Tag:Märchenstunde über Lautsprecher

Simone Schmid wird an Ostern Kindern in Grafrath vorlesen

Von Ariane Lindenbach

So belastend die Situation ist, in die das Coronavirus die Welt gebracht hat, so ermunternd sind vielen Aktionen, mit denen die Menschen darauf reagieren. Viele, die derzeit ohne Beschäftigung sind, bieten spontan ihre Hilfe an, andere nähen Mundschutz und spenden ihn. Und wieder andere erfreuen ihre Mitmenschen mit kulturellen Aktivitäten, die sie vorwiegend filmen und im Internet veröffentlichen. Eine besonders berührende Idee hatte Simone Schmid . Die Grafratherin mit drei Töchtern, vier Enkeln und einer Urenkelin hat sich für das Osterfest eine Überraschung für die Nachbarskinder und auch die Erwachsenen ausgedacht: Sie wird ihnen eine selbst geschriebene Geschichte vorlesen. Damit sich alle trotzdem an die Ausgangsbeschränkungen halten, wird sie in ihrem Garten in ein Mikrofon sprechen. Zwei Lautsprecher tragen ihre Stimme dann hinein in die umliegenden Gärten. Und damit auch sonst keiner auf die Idee kommt, sich dort zu versammeln, bleibt der Termin ein Geheimnis.

"Es ist ein bisschen eine Mut-Mach-Geschichte, sie basiert auf einem Märchen, das ich vor ein paar Jahren für meine Urenkelin Emmi geschrieben habe", erklärt die 79-Jährige. Sie heißt "Der kleine Wolf und seine 13 Freunde". Es ist nicht der erste Text, den Schmid in ihrem Leben verfasst hat. Die ihrer Heimat leidenschaftlich verbundene, kulturell und auch politisch sehr engagierte Frau hat bereits zwei Bücher veröffentlicht, darunter einen Gedichtband, und etliche Texte verfasst. Am Bauernhofmuseum Jexhof hat sie beispielsweise Texte für die Ausstellung "Frauen schreiben Geschichten vom Land" geschrieben und bei vielen anderen Schauen mitgewirkt. In Grafrath war sie unter anderem über den Kulturverein bei Lesungen dabei. Und sie hat auch früher schon Geschichten für und über ihre Nachbarschaft festgehalten.

Das Schreiben und Vorlesen nimmt also durchaus einen gewissen Raum ein in Simone Schmids Leben. Von daher lag der Einfall zu der Osteraktion nahe. "Auf die Idee kam ich sofort, als ich die Bilder aus Italien gesehen habe", der Gesang, das Miteinander habe sie begeistert. Und dazu inspiriert, für ihre eigenen Nachbarn etwas ähnlich Erfreuliches und Ermutigendes zu schaffen. Also schrieb sie das bereits vorhandene Märchen, einst verfasst für die Enkelin, so um, dass es in ihre Nachbarschaft und zu den Bewohnern, vor allem den kleinen, passt. "Und ich geh natürlich auf die Pandemie ein", erzählt die Grafratherin, die vor allen Dingen hofft, mit ihrer Geschichte ein bisschen Freude und vor allen Dingen Mut zu verbreiten. Es sei "ein Sternschnuppenmärchen, und ein paar Sternschnuppen hauen ab, um zu sehen, was auf der Erde los ist", verrät sie noch. Mikrofon und Lautsprecher stammen übrigens von einem Ehepaar, das ganz in der Nähe wohnt und laut Schmid "zur Familie" gehört - noch ein Beleg für die gute Nachbarschaft.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2020
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