Mein Tag:Gefühl für Zahlen und Menschen

Mein Tag: Marlene Gnam hat die Nachbarschaftshilfe als Leiterin geprägt. Nun geht sie in den Ruhestand und wird vielen fehlen.

Marlene Gnam hat die Nachbarschaftshilfe als Leiterin geprägt. Nun geht sie in den Ruhestand und wird vielen fehlen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Nachbarschaftshilfe-Leiterin Marlene Gnam geht in Ruhestand

Von fabiana braunstorfer

Ein Baumkuchen, zwei selbstgemachte Holzfiguren - nun kommt noch ein slawischer Obstbrand hinzu. Die Gegenstände sind nicht-sprachliche Manifeste auf dem Schreibtisch von Marlene Gnam , die als langjährige Geschäftsleiterin Ökumenischen Nachbarschaftshilfe an diesem Mittwoch in den Ruhestand verabschiedet wird. Die Geschenke kommen von Gästen des Mehrgenerationenhauses, von Menschen, denen sie mit ihrem wachen Blick begegnete. Marlene Gnam wird hier vielen fehlen, das steht fest.

Als Geschäftsführerin der Nachbarschaftshilfe war es Gnams Hauptaufgabe, "Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten". Sie habe gelernt, sich nicht auf die Schwächen zu konzentrieren - im Gegenteil: Jeder bringe etwas mit und könne unterstützt werden. Es gibt etwa Pflegetouren für Mütter, deren Uhrzeiten es erlaubten, erst ab acht Uhr morgens anzufangen, wenn die Kinder in der Schule sind.

Diese Flexibilität bei der Arbeit habe Gnam bereits bei ihrer Vorgängerin Beate Hollenbach erlebt: 1992, nach zehn Jahren Elternzeit, lernte sie Hollenbach kennen. Eigentlich suchte diese einen Computer, der das mühsame Rechnungenschreiben an der Schreibmaschine erleichterte. Doch der zur Verfügung stehende war nicht einsatzfähig. Marlene Gnam war die ideale Besetzung, um dieses Problem zu lösen - hatte sie doch bis zum letzten Tag ihrer Schwangerschaft in den Achtzigern in einer Augsburger EDV-Firma gearbeitet. Da dauerte die Verarbeitungszeit der Programme oftmals zwölf Stunden, erinnert sich Gnam. Es sei nicht ungewöhnlich gewesen, die ganze Nacht zu arbeiten.

"Am Schluss habe ich von Magnetbändern geträumt", erzählt Gnam und deutet mit ihren Händen unsichtbare Kabel um ihren Kopf an. Mit Familie sei der Job unmöglich gewesen - aber etwas Ähnliches, vielleicht auch Soziales konnte sich Gnam vorstellen. So ging es los: Sie kauften einen neuen Computer und suchten die passende Software. Seitdem ist viel geschehen: Gab es vorher die Pflegeberatung und den Kinderpark, bot die Nachbarschaftshilfe nun auch Tagespflege und Nachmittagsbetreuung an. Brauchte die Hilfe früher nur zwei Dienstfahrzeuge, so sind es heute sieben. Aus dreißig Mitarbeitern wurden etwa 230 - unter ihnen viele Ehrenamtliche.

Wenn Gnam an die Zeit des Umzugs von Augsburg zurückdenkt, muss sie schmunzeln: "Ich dachte, hier fährt ja nicht einmal eine Straßenbahn." An einen weiteren Stadtwechsel ist nicht zu denken. Die nächsten Jahre möchte sie auf sich zukommen lassen - ohne Terminkalender. Vielleicht werde sie im Sommer am Mehrgenerationenhaus winkend vorüberradeln - zum Ammersee, und zwar zu einer Uhrzeit, an der sie normalerweise die Arbeit begonnen hätte.

Abschiedsfeier für Marlene Gnam: Am Mittwoch, 27. November, 18 Uhr mit einem Gottesdienst in der Gnadenkirche, Martin Luther Straße 1. Anschließende Feier im Mehrgenerationenhaus, Am Sulzbogen 56.

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