Süddeutsche Zeitung

Mein Tag:Ein zweites Zuhause in Ghana

Marianne Schneider-Ortmann leistet mit Afrikaverein Hilfe zur Selbsthilfe

Von Lena von Holt

"Morgen früh geht es los", sagt Marianne Schneider-Ortmann. In ihr "zweites Zuhause". So nennt sie Ghana, das westafrikanische Land, das 80 Jahre unter der Herrschaft der britischen Kolonialmacht stand. Aufgeregt wirkt sie nicht. Immerhin reisen sie und ihr Mann nicht zum ersten Mal nach Ghana, wo sie "Hilfe zur Selbsthilfe" leisten wollen. Schneider-Ortmann () ist Vorsitzende des Vereins "Aktiv für Afrika" in Fürstenfeldbruck, der mittlerweile 25 Mitglieder zählt.

Sieben Stunden dauert der Flug über Amsterdam nach Accra, der Hauptstadt Ghanas. Von dort aus geht es weiter in das 120 Kilometer entfernte Dorf Nnudu. Aber erst am nächsten Morgen. "Ab 18 Uhr wird es dunkel. Dann ist es zu gefährlich", sagt die 64-Jährige. Auf den Straßen gebe es Schlaglöcher und die Fahrzeuge seien nicht beleuchtet. Genauso wenig wie die Kühe, die sich immer wieder auf die Fahrbahn verirren. Die Busse würden auch erst dann los fahren, wenn sie voll sind. Das könne man sich in Deutschland gar nicht vorstellen. Man müsse einen Schalter umlegen. Wenn einem das nicht gelinge, erklärt sie, komme man nicht klar. Man wäre die ganze Zeit nur am Kritisieren und Nörgeln. Das führe dazu, dass man dem Land nicht auf Augenhöhe begegnen könne. Seit acht Jahren fährt sie gemeinsam mit ihrem Mann regelmäßig nach Ghana. Seitdem gibt es im Dorf Wasseranschluss und Straßenbeleuchtung. Manchmal bleiben sie drei Wochen, wie dieses Mal, manchmal zwei Monate. Bei diesem Besuch wollen sie Vorbereitungen für eine Solaranlage treffen. Diese soll auf das Dach eines Krankenhauses gebaut werden und Strom für die Kühlung von Medikamenten produzieren. Für 10 000 Menschen ist die Klinik erste Anlaufstelle, wenn es um die medizinische Versorgung geht.

Eine Reise habe ihr Interesse für das Land geweckt, sagt Schneider-Ortmann, die in Fürstenfeldbruck die Patenschaft für eine togolesische Familie übernommen hatte. In den folgenden Jahren habe sie sich viele Hilfsprojekte angeguckt. Keines sei den Menschen zu Gute gekommen. "So was kann ich nicht unterstützen", meint die Fürstenfeldbruckerin, die mehr als 40 Jahre als Management-Trainerin arbeitete. Im Ruhestand suchte sie nach neuen Erfahrungen. Sie habe sogar gelernt, Wasserleitungen zu verlegen. "Die Projekte halten einen lebendig" , sagt Schneider-Ortmann, die leidenschaftlich gerne reist. Nach Laos und Kambodscha, mit dem Wohnmobil durch Sizilien oder eben nach Ghana - gemeinsam mit ihrem Mann sei sie viel unterwegs. "Worauf sollen wir warten", sagt sie.

In der sechsten Klasse hatte sie eine Arbeit über die Unabhängigkeit Afrikas geschrieben. Damals bewunderte sie den Arzt und Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer, der sich in Afrika um Lepra-kranke kümmert. Das waren ihre ersten Berührungspunkte mit dem Kontinent. In Ghana werde "der Blick für das Wesentliche geschärft", sagt Schneider-Ortmann. Diese Erfahrung nehme sie mit nach Deutschland, was ihren Lebensstil änderte. So verzichtet sie auf ein zweites Auto, eine teure Kaffeemaschine oder bei der Kleidung. Deutsche jammerten über viel Kleinkram, sagt sie. "Geh mal hin, dann weißt du, wie gut es dir geht", sagt sie ihnen dann. Die Ghanaer, die sie für sehr großzügig hält, würden sich mit viel größeren Problemen auseinandersetzen - ohne zu meckern. Warum das so sei, habe sie mal eine Ghanaerin gefragt. Die antwortete: "Weil wir frei sind." Frei von äußeren Zwängen und Erwartungen.

In Ghana gelte es als unüblich, als "weiße Frau" auf dem Bau mitzuarbeiten und sich die Hände schmutzig zu machen. Aber nur zugucken und Anweisungen geben, das kommt für die zierliche Frau nicht in Frage. Ihr sei "Entwicklungshilfe auf Augenhöhe" wichtig. Bereits in ihrer Kindheit musste Schneider-Ortmann, die ursprünglich aus Nordhorn in Niedersachsen kommt, zu Hause mit anpacken. Die Zeit in Ghana sei oft anstrengend. Urlaub sei das jedenfalls nicht, sagt sie. Es brauche Mut, seine Träume zu leben.

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SZ vom 18.02.2016
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