Süddeutsche Zeitung

Mangel an Pflegekräften:Klinikbetrieb auf Sparflamme

Am Krankenhaus in Fürstenfeldbruck können 21 Stellen für examinierte Pflegekräfte nur noch mit Hilfspersonal besetzt werden. Deshalb bleiben 40 von 380 Betten leer, und die Patienten müssen massive Abstriche bei der Versorgung hinnehmen.

Gerhard Eisenkolb

Mängel in der Pflege haben in den vergangenen Tagen im BRK-Seniorenheim in der Buchenau in Fürstenfeldbruck und im Vitalis-Haus in Germering zum Einschreiten der Heimaufsicht geführt. Für beide Häuser wurde ein Aufnahmestopp verhängt. Auch an der Kreisklinik in Fürstenfeldbruck hat sich der Pflegenotstand, auf den die Missstände in den Seniorenheimen zurückgeführt werden, in den vergangenen Monaten erheblich verstärkt. Weil 21 Planstellen nicht mehr mit examinierten Pflegekräften zu besetzen sind, werden 40 von insgesamt 380 Krankenhausbetten nicht mehr mit Patienten belegt. Dabei würden die Betten laut dem Klinikarzt und Personalratsvorsitzenden Holger Geißler auf den 13 Stationen "dringend gebraucht". Er sagt, der Bedarf sei so groß, dass alle geschlossenen Betten innerhalb von 24 Stunden belegt wären.

Laut Geißler wirkt sich der Pflegenotstand inzwischen auch auf die Versorgung der Patienten aus. So werde der Mangel an Klinikbetten durch eine Verkürzung der Verweildauer ausgeglichen. Er sagt: "Das führt zu grenzwertigen medizinischen Entscheidungen." Allerdings würden noch die Kontrollmechanismen greifen. Geißler weist aber auch darauf hin, dass es sich hierbei um kein spezifisch Fürstenfeldbrucker Problem handle. Da der Markt an examinierten Schwestern oder Pflegern leergefegt ist, herrschten an vielen anderen Kliniken durchaus "vergleichbare Zustände". Noch auf eine weitere Konsequenz des Pflegenotstands für die Patienten weist der Personalratsvorsitzende hin: Wer in ein Krankenhaus wie das Fürstenfeldbrucker kommt, müsse sich darüber im Klaren sein, dass er in der Pflege "nur noch das absolut Notwendige bekommt". Einen vollen Service gebe es in einem Krankenhaus schon seit längerer Zeit nicht mehr. Der frühere Ärztliche Direktor der Kreisklinik, Rolf Eissele, hatte bereits im April den Pflegenotstand als das Thema der nächsten Jahre bezeichnet und den Kommunalpolitikern vorgeworfen, mit den gleichen Methoden wie bei Privatkliniken zu wirtschaften. Träger des Klinikums ist der Landkreis.

Weil Pflegedirektor Wilhelm Huber nicht genügend examinierte Schwestern mit einer dreijährigen Berufsausbildung einstellen kann, greift er auf eine Notlösung zurück. So sind zurzeit 30 der insgesamt 235 Vollzeitstellen im Pflegebereich mit Hilfskräften besetzt. Dazu zählen auch acht Ungarinnen, eine Spanierin, eine Polin und ein Kroate, die im Krankenhaus arbeiten und auf die Anerkennung ihrer Ausbildung durch die Regierung von Oberbayern warten. Voraussetzung dafür ist ein Sprachtest, den die zehn ausländischen Pflegekräfte im Frühjahr absolvieren wollen.

Verstärkung erwartet sich Huber zudem von den sechs Auszubildenden der Klinik, die noch in diesem Jahr ihr Pflegeexamen absolvieren. Von den sechs Mitarbeiterinnen, die alle aus der Region stammen, wollen fünf in Fürstenfeldbruck bleiben. Der Pflegedirektor sieht darin ein Zeichen dafür, dass "die jungen Menschen sich hier wohlfühlen". Auch die einjährige Ausbildung von Pflegefachhelfern wird in Fürstenfeldbruck intensiviert. Hier arbeitet die Kreisklinik mit der Berufsfachschule in Dachau zusammen, deren Schüler in der Kreisklinik und im Seniorenzentrum in Jesenwang ihre ersten praktischen Erfahrungen sammeln. Von den neu ausgebildeten Kräften verspricht sich Geißler aber auf Dauer keine Entlastung. Er verweist darauf, der Job sei so hart, "dass die jungen Pflegekräfte, die mit Enthusiasmus dabei sind, nach drei bis fünf Jahren wieder abspringen". Die Überbelastung in der Pflege habe in den vergangenen Jahren zu einer massiven Arbeitsverdichtung geführt. Dadurch sei die körperliche Belastung unerträglich und die Arbeit durch den permanent steigenden Druck letztlich "unmenschlich" geworden. Da die Schwestern nur noch über die Flure hetzten, wirke sich der Pflegenotstand viel gravierender aus als früher.

Pflegedirektor Huber weist darauf hin, dass die bundeseinheitlichen Tarife in Ballungsräumen den Pflegenotstand verschärfen. Die Kliniken befänden sich in einer Zwickmühle, weil die Kostenträger notwendige Zulagen nicht erstatten, obwohl die Lebenshaltungskosten höher sind als in der Provinz. Auch studierte Pflegekräfte könnten nur nach Tarif bezahlt werden. Die Akademisierung hält Huber für einen gangbaren Weg zur Professionalisierung der Pflege, allerdings passe die Bezahlung nicht zu einem Universitätsabschluss.

Eine Möglichkeit zur Milderung des Personalnot sieht Huber auch in einer Reform der Ausbildung von Kranken- und Altenpflegern sowie Rettungsdienstkräften. Zurzeit könnten voll ausgebildete Rettungssanitäter oder Altenpfleger in einem Krankenhaus nur als Hilfskräfte beschäftigt werden.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2012
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