Ein Gewerbegebiet im ländlichen Raum ist an und für sich keine sehr ansehnliche Sache. Ein meist am Ortsrand angesiedeltes in einen ursprünglich für die Natur vorgesehenen Platz hinein geplantes Hallenensemble versprüht nun mal einfach wenig Charme und dient eben der Sache. Bei solch einem Anblick liegt der Gedanke an künstlerische Ergüsse, zeitgenössische Malerei oder kreative Skulpturengestaltung so fern wie der Goldtopf am Ende des Regenbogens.
In der Mannesmannstraße 2 hingegen, dem Firmengelände des Unternehmens Kühnlein Gummi-Kunststoffe in Mammendorf wurde am vergangenen Wochenende ein Kontrast zum tristen und grauen Gewerbeflair geschaffen. Aus Anlass der Kreiskulturtage und des 75-jährigen Bestehens der Firmen organisierten Inhaber Klaus Kühnlein mit seiner Lebensgefährtin Waltraud Kosak-Gonzalez einen Tag der offenen Tür in den Gewerbegebäuden und stellte auf einer 4000 Quadratmeter großen Fläche den Platz für einen Skulpturenpark zur Verfügung. Im Empfangsbereich des Firmensitzes fand gleichzeitig eine Gemäldeausstellung statt.
Doch wie kommt diese ungewöhnliche Kombination aus Kunst und Industrie zustande? "Als ich mitbekommen habe, dass sich bei den diesjährigen Kulturtagen alles um das Thema "Begegnung" dreht, wurde ich hellhörig und dachte mir, dass man doch eine Verbindung zwischen der Kunststoffverarbeitung und dem Kunstschaffen herstellen und damit den Menschen eine etwas andere Möglichkeit geben könnte, den Dingen zu begegnen", lautet Kühnleins Antwort.
Die Liebe zur Kunst teilt der Geschäftsführer des mittelständischen Unternehmens, zugleich passionierter Skulpturenbildner, schon seit Langem. In drei Künstlerkreisen der Gegend sei er involviert und so sei es ein Leichtes gewesen, genügend Künstlerinnen und Künstler für die Ausstellung zu gewinnen. 15 Objektkünstler stellten ihre teilweise nur für diese Veranstaltung gefertigten Unikate zur Verfügung.
Realisiert wurde der Park mit 30 Skulpturen auf einer großen Rasenfläche neben der Zentrale. Die schlangenartig aneinandergereihten Werke bildeten einen Wiesenpfad, auf dem man in aller Ruhe von einem Ausstellungsstück zum anderen schlendern und sich von den Ideen der kreativen Köpfe begeistern lassen konnte. An der "Schlange der Zerstörung" von Klaus Kühnlein, einem etwa vier Meter langen, aus durchsichtiger Folie und Draht gefertigten, wurmähnlichen, Gebilde war kein Vorbeikommen. Sehr eindrucksvoll erinnert dieses Objekt daran, wie sich der Mensch an den begrenzten Ressourcen der Welt bereichert und sich wie ein Reptil schleichend alles nimmt, was er will.
Neben mahnenden Gegenständen wie einem verrottenden Baumstamm, der die Vergänglichkeit darstellen sollte, waren auch aufmunternde und bunte Kunstwerke zu sehen. Das aus Eisenstangen gebogene "Kraftspalier" von Margot Vogl sollte neue Energie verbreiten, und beim Blick in die Ferne konnte man einen anscheinend in der Luft hängenden blauen Rahmen entdecken. Bei minimaler Veränderung des Blickwinkels bot er allerdings eine gänzlich neue Perspektive auf die Weiten der umliegenden Landschaft.
Malerin und Mitorganisatorin Waltraud Kosak-Gonzalez war mit ihren Werken in der Kunstausstellung im Foyer der GmbH vertreten und schwärmte von dem etwas anderen Wochenende im Gewerbegebiet: "Unser Slogan 'Kunst trifft Kunststoff' war der ideale Aufmacher für zwei Tage voller Begegnungen. Egal, ob auf zwischenmenschlicher Ebene oder bei Neuentdeckungen in Sachen Kunst und Industrie." Zu diesen Neuentdeckungen gehörte für viele der abschließende Butoh-Tanz im Skulpturenpark. Mit sphärischer Musik im Hintergrund wanden sich die Tänzer grazil durch den in der Dämmerung liegenden Kunstpfad und versetzten die Gäste eine dreiviertel Stunde lang in Begeisterung. An ein Gewerbegebiet dachte da keiner mehr.