Süddeutsche Zeitung

Mammendorf:Kampf um 7300 Quadratmeter Wald

Naturschützer diskutieren bei Ortstermin, wie geplante Erweiterung von Mammendorfer Kranfirma verhindert werden kann

Von Manfred Amann, Mammendorf

Der vom Mammendorfer Gemeinderat mehrheitlich genehmigte Plan der Kranservice Schußmann GmbH, an der Nassenhausener Straße für die Erweiterung der Lagerfläche etwa 7300 Quadratmeter wertvollen Mischwald zu opfern und damit den Lebensraum für Amphibien zu zerstören, ist für Naturschützer ein Affront schlechthin. Um den Raubbau an der Natur zu verhindern, will der Sprecher der Ortsgruppe Mammendorf des Bundes Naturschutz (BN), Harald Rösch, alle politischen Möglichkeiten ausschöpfen, und notfalls ein Bürgerbegehren anstrengen. Unterstützung bekommt er dabei von Christian Hirneis. Der Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen aus München zeigte sich bei einem Treffen vor Ort "äußert bestürzt über die mangelnde Sensibilität der Ortspolitiker in Sachen Artenschutz".

Wichtig hält er es vor allem, "so schnell und intensiv wie möglich den Skandal an die Öffentlichkeit zu bringen" und so Druck aufzubauen, riet der langjährige Geschäftsführer der Bund-Naturschutz-Stiftung. Eingeladen hatte der Sprecher des Ortsverbandes Nordwest und Kreisrat der Grünen, Andreas Birzele aus Althegnenberg, um "mehr Aufmerksamkeit für das Unglaubliche, das hier passiert" zu erwirken und den Widerstand anzufachen. Ihre große Hoffnung setzen die Gegner vorerst auf die im Zuge des Genehmigungsverfahrens vorgeschriebene artenschutzrechtliche Prüfung. Im Gemeinderat hatte Bürgermeister Josef Heckl (Bürgergemeinschaft) angekündigt, dass diese Prüfung die Planung möglicherweise durchkreuzen könnte. "Ein Problem ist, dass sich hier zwar der wahrscheinlich größte Amphibien-Lebensraum des Landkreises befindet, aber keine Frösche, Lurche oder Molche hier leben, die unter den höchsten Artenschutz fallen", befand Rösch. Bei Stichproben seien 667 Amphibien gezählt worden, ergänzte Petra Geiger, die zukünftig die Krötensammlung organisiert. Dabei habe man nur an einigen Tagen den Amphibien geholfen, zu den Laichplätzen zu kommen, die noch hinter dem Schutzzaun gewesen seien und noch nicht durch den Tunnel des Leitsystems unter der Straße hindurch gelangt waren. Laut Birzele sind Erdkröten, Teich- und Gartenfrösche, Berg- und Teichmolche sowie der europarechtlich geschützte Laubfrosch erkannt worden. Nach dem Motto, "von denen gibt es ja anderswo noch genügend", könnte das Landratsamt als Genehmigungsbehörde letztlich zustimmen, zumal der Gemeinderat angeboten habe, ein neues Amphibienleitsystem zu bauen, befürchtet Birzele. Vor Jahren habe man hier noch eine sehr seltene Krötenart gesehen, sagte er. "Vielleicht fällt sie bei der Prüfung ja wieder auf", so seine Hoffnung.

Kritisiert wurde auch die "Verschleuderung von Steuergeldern", denn die Gemeinde habe erst ein Krötenleitsystem gebaut, dann einen Teil für die bestehende Lagerfläche wieder zerstört und nun solle dieses nahezu ganz für die Erweiterung des Lagerplatzes aufgegeben und durch eine neues ersetzt werden, wenn die Amphibien umgesiedelt sind. "Wenn sie das überhaupt können, bevor ihr Lebensraum zubetoniert wird", merkte eine Naturschützerin an. Als "fadenscheiniges Argument" wurde die im Gemeinderat vorgetragene Behauptung bezeichnet, auf der Erweiterungsfläche stünden überwiegend Fichten. "Tatsächlich gleicht das Gebiet eher einem Urwald und der Fichtenbestand beginnt erst nach dem gut durchwachsenen Mischwald, der nun zum Nutzen eines einzelnen Unternehmens geopfert werden soll", stellte Rösch fest. Das Gemeinwohl müsse Vorrang haben, fanden Besucher, andere rieten dem BN, in der Stellungnahme zum Vorhaben nicht nur den Artenschutz als Argument gegen die Versiegelung anzuführen, sondern auch auf den Klimaschutz zu verweisen.

Dafür sprach sich auch der Landespolitiker aus. Das Bundesverfassungsgericht habe beschieden, dass alle politischen Entscheidungen im Einklang mit den Nachhaltigkeits- und Klimazielen des Staates stehen müssten, sagte Hirneis, woraufhin Grünen-Gemeinderätin Verena Halbritter anmerkte: "Hier passiert gerade das Gegenteil, die Vernichtung des Waldes ist ein Unding." Die Gruppe diskutierte auch über mögliche Ausweichstandorte und suchte eine unweit des Betriebsgeländes offene Kiesgrube auf. Auch wenn die Grube im Besitz des Freistaates sei, sollte ein Nutzung als Lagerfläche für Kräne versucht werden, so die einhellige Meinung. Denn zumutbar für das Unternehmen wäre der Standort allemal.

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SZ vom 09.08.2021
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