Mammendorf:Abschiebung trotz Arbeitsstelle - die Geschichte eines Flüchtlings in Deutschland

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Cheikamadou Sall aus Senegal vor der Flüchtlingsunterkunft in Mammendorf. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Senegalese Cheikamadou Sall kam vor einem Jahr nach Oberbayern. In einem Fast-Food-Lokal verdient er seinen Lebensunterhalt. Aber nicht mehr lang.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Eigentlich ist dieser Mann genau so, wie sich alle einen Asylbewerber wünschen: Er spricht schon ganz ordentlich Deutsch, ist eine sehr sympathische Erscheinung. Vor allem aber: er arbeitet und kommt selbst für seinen Lebensunterhalt auf. Und doch sind die Tage von Cheikamadou Sall in Deutschland wohl gezählt. Ende des Jahres läuft seine Arbeitserlaubnis aus.

Warum Sall nicht bleiben darf

Und bereits seit April steht fest, dass der 33-Jährige dann nicht mehr arbeiten darf und auch aus der Mammendorfer Unterkunft an der Münchner Straße ausziehen muss. Denn Cheikamadou Sall kommt aus Senegal, und dieses westafrikanische Land zählt offiziell zu den sicheren Herkunftsländern. Asylbewerber aus Senegal erhalten einer Weisung des Bayerischen Innenministerium zufolge deshalb auch keine Arbeitsgenehmigung mehr.

Und dies, obwohl Menschenrechtler das Konzept der "sicheren Herkunftsländer" strikt ablehnen, das der Bundestag jüngst noch ausgeweitet hat. Senegal wird ebenso wie Albanien, Kosovo, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien und Ghana als "sicher" eingestuft.

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Schutzsuchende aus diesen Ländern sollen bis zum Abschluss des Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben - oder gar nicht über die Registrierungszentren hinauskommen, die an Deutschlands Außengrenzen eingerichtet werden sollen. Ziel ist es, die Betroffenen schneller zurückzuschicken.

Immerhin hat das Fürstenfeldbrucker Landratsamt seinen kleinen verbleibenden Ermessensspielraum ausgeschöpft und auf den vorzeitigen Widerruf von Arbeitserlaubnissen verzichtet. Einen weitergehenden Spielraum aber hat die Behörde nicht, wie auch jüngst der für die Asylbewerber zuständige Alexander Galitz durchaus mit Bedauern festgestellt hat.

Wie er floh und in Deutschland ankam

Für Cheikamadou Sall ist das eine ausweglos erscheinende Situation. Eine Rückkehr kann er sich kaum vorstellen. Wohin auch? Vor seiner Flucht lebte er nicht bei seiner Mutter in Senegal, sondern seit acht Jahren beim Vater in der Zentralafrikanischen Republik. Ein Bruder und eine Schwester leben im westafrikanischen Gambia.

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Im Land seines Vaters habe es immer stärkere Konflikte zwischen Muslimen und Christen gegeben, erzählt der passionierte Pianist und Rapper. Vor einem Jahr entschied er sich deshalb für die lange und riskante Reise nach Deutschland.

Er kam nach Mammendorf und fand nach lediglich drei Monaten eine Arbeitsstelle - durch die Unterstützung des Mammendorfer Asylhelferkreises. In Moosach arbeitet er seit sieben Monaten für eine Fast-Food-Kette und macht dort all das, was viele andere nicht machen wollen: bedienen, putzen, in der Küche arbeiten. Weil im Schichtbetrieb - oft von 17 bis 23 oder von 10 bis 17 Uhr - gearbeitet wird, aber trotzdem nur der Mindestlohn dafür herausspringt, hat Sall viele deutsche und ausländische Kollegen kommen und gehen sehen. Er selbst aber ist geblieben und hat sich auch mit seinem Chef nach anfänglichen Schwierigkeiten gut arrangiert.

Der habe ihm letztens einen Vertrag für zwei oder drei Jahre angeboten - eigentlich ein Traum. Ein hohes Durchhaltevermögen und großen Fleiß bescheinigt dem Mann aus Senegal auch Günter Mairhörmann, der Sprecher des Asylhelferkreises Mammendorf, von dem 85 Personen in drei Häusern betreut werden.

Gerade die Gruppe der Senegalesen bereitet den Ehrenamtlichen große Sorge. Einige von ihnen leben schon seit zwei Jahren in Deutschland, wurden lange im Ungewissen gelassen und sollen nun in ihre angeblich sichere Heimat zurückkehren. Und das auch dann, wenn sie hier bereits gut integriert sind.

Cheikamadou Sall ist nach Mairhörmanns Ansicht ein Vorbild. Für die etwas mehr als tausend Euro netto im Monat nimmt er große Strapazen auf sich. So dauert die Arbeit an Wochenenden bis 3 Uhr in der Früh. Weil die erste S-Bahn erst gegen 6 Uhr fährt, wartet der Senegalese so lange im Bahnhof - sofern er nicht von Aufsichtspersonal vertrieben wird. Ist er dann in der Unterkunft angekommen, wird er regelmäßig von seinem Zimmergenossen, einem 24-Jährigen aus Eritrea, beispielsweise durch Anschalten des Lichts oder das Abspielen von Musik gestört.

Was er tun will, wenn er Deutschland verlassen will

"Der nimmt wenig Rücksicht", sagt Sall. In dem kleinen Zimmer ist das fatal. Es ist vollgestellt mit den beiden Betten, in dem kleinen Gang bleibt lediglich noch Platz für ein Regal und einen Kühlschrank. Privatsphäre Fehlanzeige. Schlaf Fehlanzeige. Vergeblich bat der 33-Jährige um ein Einzelzimmer. Schließlich sorge er doch übers Wohnen hinaus voll für den eigenen Lebensunterhalt und finanziere sich Essen und Kleidung selbst, sagt er. Doch man habe seine Bitte abgeschlagen, weil es offenbar keine freien Zimmer gibt.

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Mit all diesen Umständen hat sich Cheikamadou Sall abgefunden. Regelrecht Angst hat er aber nun vor der Zukunft. Ebenso geht es den vielen Landsleuten, die in Mammendorf leben. Erst vor ein paar Tagen sei die Polizei plötzlich in der Unterkunft aufgetaucht und habe einen Mann aus Gambia mitgenommen. Abschiebung. Und nun fürchten die Senegalesen, dass es sie als nächste erwischen könnte.

Cheikamadou Sall hat noch die Gnadenfrist bis Ende des Jahres. Wenn er dann aber nicht mehr arbeiten darf und wieder auf die Leistungen des deutschen Staats angewiesen ist, dann wird auch er jedem neuen Tag bange entgegenblicken.

"In Senegal gibt es für mich doch überhaupt keine Perspektive, dort gibt es nur Armut und Hunger", sagt Sall. Notfalls will er versuchen, irgendwie nach Finnland zu gelangen.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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