Mammendorf:Abgang mit Applaus

Die Kreis-CSU verabschiedet Reinhold Bocklet, der sich aus der Politik zurückzieht. Doch in seinem Notizbuch stehen schon jede Menge Termine, und auch als Ratgeber ist er weiterhin gefragt

Von Heike A. Batzer, Mammendorf

Gleich zweimal erheben sich alle CSU-Mitglieder von ihren Sitzen und spenden jenem Mann lange anhaltenden Applaus, der, wie er selber ausgerechnet hat, 45 Jahre "an herausgehobener Stelle innerhalb der Union" tätig war. Reinhold Bocklet, 75, nimmt Abschied von der großen Politik, und sein Kreisverband würdigt ihn noch einmal. "Es fällt mir ein bisschen schwer, diesen Abend zu erleben", sagt Bocklet im Moment des Scheidens ganz bescheiden, und dass er dankbar sei, dass er dieser Partei so viele Jahre habe dienen dürfen.

Am Eingang zum Saal im Mammendorfer Bürgerhaus stehen Sekt und Weißbier für die Mitglieder bereit. Genau dort ist vor fast zehn Monaten Bocklets Nachfolgekandidat gekürt worden, der Mammendorfer Benjamin Miskowitsch, der dann bei den Wahlen vor zwei Wochen den Einzug in den Landtag geschafft hat. Ein bisschen fühlt man sich deshalb an jenen Abend Anfang Februar erinnert, auch damals sind die Delegierten zum Applaus für Bocklet aufgestanden und der CSU-Kreisvorsitzende, Landrat Thomas Karmasin, hat damals gesagt, er erliege nicht dem Versuch ihn jetzt schon zu würdigen, denn es bestehe kein Zweifel, dass Bocklet bis zum letzten Tag seinen Abgeordnetenpflichten nachkommen werde.

Bocklet-Abschied

"Ein leibhaftiger Staatsmann": Das sagt der CSU-Kreisvorsitzende, Landrat Thomas Karmasin, über Reinhold Bocklet. Den ehemaligen Landtagsabgeordneten und früheren Minister hat die Partei jetzt verabschiedet.

(Foto: Günther Reger)

Er sei keiner, "der traurig zu Hause rumsitzt", lässt der ehemalige bayerische Europa- und Landwirtschaftsminister und Landtagsvizepräsident all jene wissen, die sich nun sorgen könnten um seinen neuen Alltag. Er freue sich darauf, mehr Freiraum und weniger Stress zu haben und habe seiner Frau versprochen, mehr auf seine Gesundheit zu achten, bekennt Bocklet. Aber "die nächsten Termine stehen schon im Notizbuch": Ende November in Sachen Europa in Athen, im Januar in Brüssel.

Eine Bilderschau zeigt Bocklet dann in verschiedenen Phasen seinen politischen Wirkens und zusammen mit bekannten Politikern aus Land und Landkreis. JU-Mitglieder versuchen sich an Gstanzln, für die Kreis-Frauen-Union gratuliert die stellvertretende Vorsitzende Monika Greczmiel. Brigitte Böttger, Gemeinderatsfraktionschefin in Bocklets Heimat Gröbenzell, habe ihn "multilingual überrascht", wird Bocklet später über ihre in einer Mischung aus Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch gehaltene Rede sagen. Landrat Thomas Karmasin würdigt Bocklet als einen "leibhaftigen Staatsmann". 1993 habe man erkannt, dass da "ein ausgewiesener Fachmann im fernen Brüsssel sitzt" und ihn ins bayerische Kabinett geholt. Als man ihn dann Jahre später nicht mehr dorthin berufen habe wegen "irgendwelcher Proporzüberlegungen", habe Bocklet einen "bewundernswerten Umgang mit der Niederlage" gezeigt, so Karmasin: "Kein Nachtreten, keine öffentliche Kritik, kein Nachlassen im Engagement." Man wäre froh, auch künftig auf seinen Rat zurückgreifen zu dürfen, wüscht sich Karmasin noch und ist sich darin mit Benjamin Miskowitsch einig, der Bocklet für die "großartige Unterstützung" im Wahlkampf dankt und ebenfalls die Hoffnung äußert, ihn bisweilen anrufen zu dürfen.

Bocklet Verabschiedung

Anstoßen mit Weizen und Sekt: Reinhold Bocklet (vorne links) mit Mitgliedern der JU.

(Foto: Günther Reger)

Bocklet wäre freilich nicht Bocklet, wenn er seinen Abgang nicht mit einer politische Rede verknüpft hätte. "Ich habe es der Partei, also Ihnen, zu verdanken, dass ich immer wieder nominiert wurde", sagt er in großem Understatement zu den anwesenden CSU-Mitgliedern. Seine politische Bilanz nennt er "zufriedenstellend", erwähnenswert findet er, dass er das ehemalige "Institut Pasteur" mitten in Brüssel für die bayerische Landesvertretung an Land gezogen hat. Die Belgier hätten es verkommen lassen, nun habe der Freistaat "was Gscheites draus gemacht", erzählt Bocklet. Mit Stolz berichtet er auch davon, eine Verfassungsänderung durchgesetzt zu haben, nämlich dass die Staatsregierung im Bundesrat bei der Übertragung von Kompetenzen auf die EU nur zustimmen dürfe, wenn der Landtag das entschieden habe: "Es ging darum, dass der Landtag das letzte Wort hat. Das ist Demokratie, das ist Parlamentarismus." Unter seinen politischen Erfolgen für den Landkreis reiht er die Verhinderung eines Zivilflugplatzes in Fursty und den Bau der psychiatrischen Klinik in Fürstenfeldbruck ein. "Relativ unbefriedigend" nennt er das für die S-Bahn im Landkreis Erreichte. Dass hier "noch viel, viel Arbeit für meinen Nachfolger bleibt", hatte er so ähnlich schon bei der Kandidatenwahl im Februar formuliert.

Ja, und dann waren da vor zwei Wochen noch Landtagswahlen in Bayern, bei denen er nicht mehr kandidierte und die ein so schlechtes Ergebnis für seine Partei erbrachten. Es bedürfe nun einer "seriösen Auseinandersetzung über die Ursachen", dazu müsse man auch die gesellschaftliche Situation studieren, sagt Bocklet. Und dort, wo es notwendig sei, seien Konsequenzen zu ziehen - "aber nach echter, reiflicher, vernünftiger Diskussion". Bocklet fordert dazu auf, das bürgerliche Lager zu einen und "die Sammlungsbewegung der bürgerlichen Mitte wieder zu schaffen". Dies sei immer die CSU gewesen.

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