Maisach:Tierparadies steht vor dem Aus

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Im Stall von Ruth Strähhuber in Aufkirchen leben Pferde, Hühner, Schafe und Schweine - auch zur Freude vieler Buben und Mädchen. Nun soll der Pachtvertrag enden, Anwohner versuchen dies zu verhindern

Von Ariane Lindenbach

Der im Landkreis einzigartige Stall mit Pferden, Hühnern, Schafen, Schweinen, Gänsen, einem Esel und einem Ziegenbock in Pischertshofen, einem Ortsteil von Aufkirchen, muss zum April aufgelöst werden. Falls sich keine alternative Unterkunft findet, droht den Tieren der Schlachter. Nach 17 Jahren hat der Grundeigentümer der Stallbetreiberin Ruth Strähhuber den Pachtvertrag nicht mehr verlängert. Dabei hatte er ihr mehrfach versichert, sie könne den Grund kaufen. Um den neuen Eigentümer des Grundstücks dazu zu bewegen, es weiter an Strähhuber zu verpachten, haben Anwohner damit begonnen, Unterschriften zu sammeln.

In einer kleinen Senke gleich hinter dem Neubaugebiet von Pischertshofen stehen zwei kleine Stallgebäude, an zwei Seiten von Feldwegen gesäumt, zu den beiden anderen Seiten hin erstrecken sich Koppeln. Zuerst fallen die Pferde auf, neun insgesamt. Dann entdeckt man einen Esel, ein Dutzend Waldschafe, Gänse schnattern dazwischen, Hühner laufen herum und zwei gar nicht so kleine Minischweine. Sechs Pferde hat Strähhuber gegen Miete aufgenommen, die anderen Tiere gehören ihr. Manche, wie den Esel "Pepe" hat sie vor dem Tod gerettet und selbst mit der Flasche aufgezogen. Andere wie die Waldschafe und die Minischweine sind bedrohte Tierarten. Ihren 25 Jahre alte Araberhengst "Rustam" hat die freischaffende Künstlerin, die auch die Ausstellungen am Jexhof gestaltet, von Anfang an gehabt. Er ist der Nachkomme ihrer ersten Stute, die sie mit 14 Jahren bekommen hatte, und eines Araberhengstes vom Staatsgestüt Marbach. Der Hengst spielte schon bei einigen Kunstaktionen von Strähhuber eine wichtige Rolle.

Doch das ist nicht der Grund, weshalb der 42-Jährigen ihre Tiere sehr wichtig sind. "Der Stall, das ist ihr Leben", sagen Strähhubers Vater Alfons und Manuela Reiser aus Aufkirchen, die die Unterschriftensammlung ins Leben rief. Seit Ruth Strähhuber den Grund von Josef Bals vor 17 Jahren pachtete, hatte sie dort mit Verwandten und Freunden die Ställe gebaut, Drainagen im und Platten auf dem Boden verlegt, Umzäunungen für die Koppeln angelegt und noch viel, viel mehr. Vier Stunden verbringe sie jeden Tag hier mit Füttern, Stallausmisten oder anderen Arbeiten: "Es gibt immer etwas zu tun." Etwa 70 000 Euro habe sie im Lauf der Zeit für Stall und Tiere aufgewendet, schätzt sie. Im Vorjahr hat sie für ihren Stall vom Verein Laufstall-Arbeitsgemeinschaft vier Sterne verliehen bekommen, fünf ist das Maximum. "Ich habe hier eine ganz besondere Stallhaltung", erklärt Strähhuber, die lange mit dem Gedanken spielte, Tiermedizin zu studieren, weil sie sich mit der Gesundheit ihrer Tiere gut auskennt.

Nach dem Konzept "Paddock Paradise", das sich an der Lebensweise von Wildpferden orientiert, können die Pferde - und freilich auch die anderen Tiere - jederzeit von der Koppel in den Stall gehen und umgekehrt. Um ans Futter zu gelangen, müssen die Pferde allerdings einen speziell angelegten, relativ weiten Weg gehen. So bewegen sie sich in Strähhubers kleinem Idyll überdurchschnittlich viel. Entsprechend gut scheint es ihnen zu gehen. Rustam etwa wirkt nicht wie ein Greis, der er ja vom Alter her schon ist, sondern, auf einen Menschen übertragen, wie ein vitaler Mittvierziger. Und tatsächlich betont die engagierte Stallbetreiberin nicht nur, dass ihre Tiere "so gut wie nie krank" seien. Sondern sie erläutert auch, dass die durchschnittliche Lebenserwartung von Pferden bei neun Jahren liegt.

Für Reiser ist der Stall schlicht "unsere kleine Farm in Aufkirchen". Generationen von Kindergartenkindern seien mit den Tieren groß geworden. Denn freilich ist der Stall auch ein beliebtes Ziel für Kurzausflüge - auch bei Spaziergängern. "Es ist einfach schade, wenn man junge Familien aufs Land holt und dann so etwas kaputt macht". Eine Familie etwa entschied sich vor einigen Jahren wegen des Stalls für Aufkirchen als neuen Wohnort. Reiser findet es zudem empörend, dass Bals seiner Pächterin über Jahre zusicherte, dass sie den Grund kaufen könne. "Das ist im ganzen Dorf bekannt. Und dann auch noch per Handschlag", sie habe immer gedacht, auf dem Land zähle das noch genauso viel wie ein Vertrag. Wie Reiser und Strähhuber berichten , hatte Bals seine Zusage über Jahre hinweg aufrecht erhalten. Zuletzt, als man sich schon einig war und die Finanzierung gesichert, kam der Handschlag. Dann Strähhubers Urlaub. Und dann war der Grund verkauft. Bals selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Seit klar ist, dass sie den Grund räumen muss, sucht Strähhuber nach einem anderen, etwa drei Hektar großen Pachtgrundstück. Doch Biogas- und Freiflächen-Fotovoltaikanlagen sowie die Massentierhaltung haben die Preise in die Höhe getrieben. Zudem gebe es kaum noch Wiesen, da wegen dieser Entwicklung überall Mais angebaut werde, klagt sie. Findet sie keine Alternative, müssen wohl die meisten Tiere zum Schlachter.

© SZ vom 11.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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