Maisach:Streit um fünf Millionen

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Der Gebäudekomplex mit Wohnungen und Geschäften an der Bahnhofstraße. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Für einen Gebäudekomplex in Ortszentrum stellt die Baufirma ein Drittel mehr in Rechnung als vereinbart. Der Auftraggeber klagt vor dem Landgericht. Fast wie auf dem Basar wird dort ein Vergleich ausgehandelt

Von Florian J. Haamann, Maisach

Der Streit um den großen Neubaukomplex an der Bahnhofstraße mit Wohnungen, Büros, Supermarkt und Drogerie ist vor Gericht angelangt. Es geht um viel Geld. Eine Projektgesellschaft klagt gegen den von ihr beauftragten Bauunternehmer. Der hatte mit 15,5 Millionen Euro gut fünf Millionen mehr in Rechnung gestellt als vereinbart. Beide Parteien trafen sich am Dienstag vor der Zivilstelle des Landgerichts München II.

Gleich zu Beginn der Verhandlung machte der Vorsitzende Richter Clemens Turkowski deutlich, dass es wohl im Sinne beider Parteien sei, sich auf einen Vergleich zu einigen. Denn käme es zu einem Prozess, könne es bis zu einem Urteil sehr lange dauern - und teuer werden. Er verwies auf einen ähnlichen Fall, der sich bereits seit mehr als zehn Jahre hinzieht - die Kosten lägen bereits deutlich im sechsstelligen Bereich. Denn in einem Prozess müsste jeder einzelne Punkt der von der Gesellschaft vorgelegten Mängelliste abgearbeitet werden - teils per Gutachten. Selbst dann, wenn es lediglich um dreistellige Beträge geht. Er sehe diesen Termin als erste Möglichkeit, die Positionen auszutauschen. Mit einem endgültigen Ergebnis rechne er aber nicht, so der Richter. Zu weit schienen die beiden Standpunkte voneinander entfernt, zu verhärtet die Fronten.

Was dann aber folgte, war ein von Turkowski angeführter Parforceritt, bei dem die beiden Streitparteien scheinbar nur schwer hinterher kamen. Vorschlag für Vorschlag, Gedankenspiel für Gedankenspiel, trieb er beide Seiten immer näher zusammen, präsentiere Exceltabellen, tippte auf seinem Taschenrechner. Um die genauen Gründe für die deutlich gestiegene Rechnung ging es bei diesem Termin vor dem Landgericht gar nicht. Auch die Streitparteien und deren Anwälte tippten fleißig auf ihren Rechnern, machten Notizen, erklärten ihre Standpunkte zu den richterlichen Vorschlägen. Hier könne man sich doch die Kosten hälftig teilen, da auf ein Drittel heruntergehen, dies gegen jenes aufwiegen und dann fallen lassen. Und überhaupt, so weit sei man doch gar nicht auseinander. Mit dem Rasenmäher drübergehen, wie auf einem Basar handeln, die verwendeten Sprachbilder waren dann doch wesentlich anschaulicher, als man es sich in einem unübersichtlichen Wirtschaftsprozess erwartet. Der Rechtsanwalt des Klägers schlug gar vor, der Beklagte möge sich doch nun endlich einen Ruck geben und über die Klinge springen. Das wäre dann doch nicht so gut, so der Richter, vielleicht meine der Anwalt ja "über das Gatter springen". Gelächter, Zustimmung und weiter.

Nach einer finalen Versammlung vor dem richterlichen Rechner dann die Annäherung: Ja, das sei ein Modell, mit dem man arbeiten könne. Der Kläger soll etwa vier Millionen Euro an den Beklagten zahlen, alle Mängel wären damit abgehandelt.

Ein weiterer Streitpunkt ist noch die Gewährleistung. Auch hier deutet sich eine Kompromisslinie ab: Fünf Jahre statt der vier Jahre, die der Beklagte lediglich zusichern wollte. Turkowski moderiert dann auch noch die letzten Streitpunkte weg. Und so gerät der Vergleich in greifbare Nähe. Ob es wirklich dazu kommt und damit ein langwieriger Prozess vermieden werden kann, muss sich freilich noch zeigen. Noch bleibt beiden Parteien eine Frist, um Widerspruch einzulegen.

© SZ vom 25.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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