Ortsgeschichte:Ein Foto aus Urururgroßvaters Zeiten

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Das Foto aus dem Jahr 1857 zeigt den Lehrer Kasimir Führer. Die Aufnahme hat er seiner Tochter gewidmet. (Foto: Gemeindearchiv Maisach)

Im Gemeindearchiv von Maisach wird eine historisch interessante Aufnahme aus dem Jahr 1857 aufbewahrt. In der aktuellen Ausgabe der heimatkundlichen Zeitschrift „Meisaha“ wird es nun gezeigt.

Von Peter Bierl, Maisach

Welche Schätze in Gemeindearchiven schlummern können, zeigt die neueste Ausgabe der Meisaha, einer Heftreihe, die der Arbeitskreis Geschichte der Gemeinde Maisach herausgibt. Der Archivar Stefan Pfannes hat ein uraltes Foto entdeckt, eine echte Rarität aus dem Jahr 1857, die den damaligen Lehrer zeigt. Dazu enthält die Ausgabe interessante Beiträge vor allem zur Wirtschaftsgeschichte des Ortes.

Der französische Maler Louis Daguerre veröffentlichte 1839 ein Verfahren zur Herstellung von Fotografien, das er entwickelt hatte und das sich schnell weltweit verbreitete. Die nach ihm benannte Daguerreotypie war wesentlich billiger, als ein Porträt malen zu lassen, was sich nur wenige leisten konnten. Als Material wurden in der Regel versilberte Kupferplatten verwendet. Das Verfahren lieferte von Anfang an eine gute Qualität, unter der Lupe wurden kleinste Detail sichtbar. Allerdings setzte sich der Fotograf giftigen Dämpfen aus und die Aufnahme war seitenverkehrt. Relativ schnell entwickelten Tüftler andere Verfahren, darunter die günstigere Ambrotypie, bei der Glasplatten mit einer Schicht aus Kollodium verwendet wurden.

Um welches Verfahren es sich bei der Aufnahme aus dem Gemeindearchiv handelt, bleibt offen, dazu müsste die Platte geöffnet werden, was ohne professionelle Hilfe eines Restaurators nicht möglich sei, schreibt Pfannes in seinem Beitrag.

Fest steht aufgrund einer Inschrift auf der Rückseite, dass die Aufnahme am 6. März 1857 angefertigt wurde. Zu sehen ist Kasimir Führer, der Lehrer in Maisach war. Er wurde 1786 in dem Dorf geboren und dürfte damit einer der ältesten Menschen sein, von denen ein Foto erhalten ist. Seit 1828 besaß er das Anwesen Maisach 65, heute Hauptstraße 18. Führer übergab das Haus 1856 seiner Tochter Sekunda und dem Schwiegersohn Joseph Schropp, die als Krämer arbeiteten. Führer widmete das Foto seiner Tochter.

Bei archäologischen Grabungen in der Ganghoferstraße Nord in Gernlinden, die bis April dauerten, wurden weitere Reste einer keltischen Siedlung gefunden, schreibt Fritz Aneder vom Historischen Verein. Das Dorf erstreckte sich über eine Fläche von sieben Hektar, gefunden wurden Pfostengruben, die auf 36 Häuser schließen lassen, darunter einen Speicher, sowie 24 Brunnen und 45 Abfall- und Vorratsgruben, Keramik und Eisenschlacke. Besondere Relikte sind ein Schwert mit Scheide und Schwertkette sowie zwei Lanzenspitzen.

Anhand der Familie Huttenloher zeigt der Artikel, wie sich ein Handwerk über Jahrhunderte halten kann. (Foto: Gemeindearchiv Maisach)

Wie sich ein Handwerk über Jahrhundert trotz Kriegen und Wirtschaftskrisen halten konnte, schildert Franz Minholz vom Arbeitskreis Geschichte anhand der Familie Huttenloher. Der Name verweist auf die Herkunft und sei bereits im 15. Jahrhundert in Württemberg nachgewiesen, schreibt Minholz. 1649 erwarb der Schuster Andreas Huttenloher ein Anwesen in Maisach, heute die Apotheke in der Hauptstraße 4. Möglicherweise war die Familie schon früher im Dorf ansässig, aber im Dreißigjährigen Krieg wurden viele Kirchen zerstört und mit ihnen die Dokumente über Geburt, Heirat und Tod, bemerkt Minholz dazu.

Ein Nachfahre, Valentin Huttenloher, geboren 1835, kaufte 1865 in der Nähe des Bahnhofs ein Grundstück und baute dort vier Jahre später. Sein Sohn Josef erweiterte den Betrieb um ein Schuhgeschäft. Dazu gehörte auch eine kleine Landwirtschaft, der Enkel ließ dafür 1933 einen Stadel anbauen. Dessen Sohn, wiederum ein Josef, ließ das Haus 1956/57 in ein modernes Geschäftshaus mit großen Schaufenstern umbauen. Sein Sohn, ebenfalls Josef, erweiterte den Betrieb um eine Orthopädie. Der sechste Josef übernahm 1990 den elterlichen Betrieb und ließ das Gebäude erneut umbauen, die zum Teil mehr als hundert Jahre alte Bausubstanz wurde erhalten und saniert.

Die "Oberbayerische Baustoffwerke J. Render KG" nimmt am 1. Dezember 1960 ihren Betrieb auf. (Foto: Gemeindearchiv Maisach, oh)

Die Geschichte des Kalksteinsandwerks in Überacker hat Stefan Schader aufgeschrieben. Menschen nutzen Tonziegel seit 5000 Jahren als Baumaterial, aber die Herstellung ist aufwendig und teuer. 1856 entwickelte der Arzt Anton Bernhardi ein Verfahren, um aus Sand, Wasser und gebranntem Kalk günstiger Ziegel zu produzieren. Der Chemiker Wilhelm Michaelis ließ 1880 ein Patent für Kunstsandstein eintragen, der in großen Dampfbehältern bei großem Druck und 200 Grad Hitze mehrere Stunden lang gebacken und dadurch fester wird. Er schuf damit die Grundlage für eine industrielle Fertigung. 1910 gab es 310 Werke in Deutschland, heute etwa 80, schreibt Schader.

Der wichtigste Rohstoff ist Sand und auf einem Höhenrücken bei Überacker liegt unter dem Humus eine mehrere Meter dicke Schicht. 1960 bekam Josef Render, Angestellter der Tonindustrie Heisterholz in Minden in Westfalen, vom Gemeinderat in Überacker 1960 die Genehmigung den Sandhügel abzubauen. Dieser wurde bis dahin im Winter zum Rodeln und Skifahren genutzt. Am 1. Dezember nahm die Oberbayerische Baustoffwerke J. Render KG ihren Betrieb auf. Allerdings gab es bald Streit um Wasser und Abwasser und Lastwagen, die durch den Ort fuhren, sowie eine Auseinandersetzung um den Abbau von Kies aus einer Grube der Gemeinde, die auf Maisacher Flur lag, weil die Firma den Kies nicht bezahlt hatte.

Das Werk bestand aus einem Bunker für Sand und Kalk im Norden, diese wurden mit Wasser gemischt und dann gepresst und schließlich in die Dampfbehälter befördert. Dafür war viel Muskelkraft erforderlich, denn die Ziegel wurden von Hand aus der Presse auf Loren gelegt und zu den Dampfbehältern gefahren. Deshalb kamen Gastarbeiter aus Marokko und Spanien in das Bauerndorf. Sie arbeiteten in drei Schichten rund um die Uhr. Schader berichtet, dass die Anlage mit Schweröl geheizt wurde, die Abwärme sollte für eine Gärtnerei genutzt werden, der Plan wurde aber nie verwirklicht. Er vermutet, dass die Idee nicht rentabel war, denn der Liter habe 1960 nur vier bis fünf Cent gekostet.

Die Ziegel wurden auch vor Ort genutzt, beim Bau des Vereinsheims der Fußballer und vermutlich für die Erweiterung der Kirche in Überacker. Infolge einer Wirtschaftskrise, die die Bauindustrie traf, sank der Absatz an Ziegeln in Deutschland um 40 Prozent, im August 1975 stoppte die Produktion in dem Werk in Überacker. Die Lagerbestände und Maschinen wurden verkauft, der Lagerplatz mit Büros vermietet. Die Sandgrube wurde als Bauschuttdeponie genutzt, später zogen andere Firmen in die Halle und die Nebengebäude ein.

Meisaha – Hefte zur Gemeindegeschichte, Herausgeber Arbeitskreis Geschichte der Gemeinde Maisach, 2024, 72 Seiten, sechs Euro. Das Heft ist im Rathaus und einigen Geschäften in Maisach erhältlich.

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