Maisach:Lanz trifft Sendling

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Der dunkelrote "Schnellläufer" könnte dem grauen D 12 im Standgas davonfahren. Dafür ist der Oldie aus Überacker ein besonders alter und seltener Schlepper. Ein Besuch beim Jubiläumstreff des Maisacher Bulldogstammtischs

Von Stefan Salger, Maisach

Feldarbeit an Mariä Himmelfahrt? In Oberlappach pflügen sechs Traktoren den Hang um. Das freilich fällt nicht in die Kategorie Maloche am Feiertag, sondern wird unter Freizeitvergnügen verbucht. "Schwierig wird es nur, wenn's weiter regnet", sagt Thomas Rieber, 47, Vorsitzender des Maisacher Bulldogstammtisches. Denn dann werde es schwierig mit der Traktion. Es ist Sonntagmittag und der 47-Jährige steht neben dem Feld und der Wiese, auf der etwa 200 Oldtimer geparkt sind. Der Stammtisch feiert sein 20-jähriges Bestehen. Drei Fahrer sind bereits Samstagnacht eingetroffen - sie waren in Manching bei Ingolstadt gestartet.

Vincent will Deere: Zwei "Youngtimer" treffen sich auf der Wiese - der Bub und ein Bulldog des US-Weltmarktführers aus den Neunzigern. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Schauackern versinkt letztlich nicht im Schlamm. Nach kurzen Schauern klart es auf. Vielleicht hat der alte Aicher, der vor den dunklen Regenwolken wie ein Fetisch in luftiger Höhe baumelt, ja seine Aufgabe erfüllt. Der 15-PS-Bolide am Kranhaken weist Besuchern den Weg zu der Wiese. Und vielleicht hat er auch noch Petrus gnädig gestimmt. Der am Feldrand für den Fall der Fälle geparkte rote hypermoderne Case IH, für den man gut und gerne 100 000 Euro hinblättern müsste, kann also locker bleiben und muss die heftig schnaufenden Oldies nebst Urgroßvaters Pflug nicht aus dem Matsch ziehen.

Ein älteres Exemplar schnuppert Höhenluft: Der etwa 1,6 Tonnen schwere Aicher bringt seine 15 PS nicht so recht auf den Boden - er hängt am Kranhaken. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Besucher, viele in Dirndl und Lederhose, trauen sich wieder heraus aus der Maschinenhalle, in der zur Musik der Niederrother Blasmusik Weißwürste serviert werden. Seite an Seite steht da alles, was in der "Branche" Rang und Namen hat: Lanz, Schlüter, Fendt, Deutz, Massey Ferguson, bis hin zum Ford - liebevoll restauriert oder so, wie sie aus irgendeiner Scheune gezogen wurden, mit Patina und Rost. Flankiert werden die eisernen Ackergäule von "Universalmotorgeräten". So ist Gröbenzells Bürgermeister Martin Schäfer mit einem Cabrio-Unimog gekommen - im Schlepptau einen großen Wohnwagen mit Holzaufbau. Aus der Masse der Traktoren sticht auch der fein restaurierte dunkelgrüne Mercedesbus des Mammendorfers Franz Oberauer heraus, Baujahr 1942. Der Schriftzug "Feuerschutzpolizei" ist gut zu lesen, an den Türen prangen noch die originalen Reichsadler.

Josef Schmid gibt ordentlich Gas mit dem Schlüter-Standmotor. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ganz am Rand steht ein dunkelroter Lanz, der mit einem Cabrioverdeck punkten kann. Der "Schnellläufer" sieht aus, als wäre er gerade aus der Manufaktur gerollt. "Der läuft im Standgas schneller als unserer im höchsten Gang", sagt Jakob Schwarzmann und lacht. Der 86-Jährige ist gemeinsam mit seinem Sohn aus Überacker gekommen. Was nach Katzensprung klingt, war fast eine Weltreise. Denn ihr Sendling D12, mit Baujahr 1938 das älteste Fahrzeug auf der Wiese bei Oberlappach, schafft mit seinen zwölf PS maximal 13 Sachen. "Na und? Besser als Ochsengespann", sagt der Sohn und grinst. Die Sendling-Traktoren sind nach dem Münchner Stadtteil benannt, in dem sie bis Mitte der Sechzigerjahre hergestellt wurden. Bis Ende der Fünfziger war Jakob Schwarzmann mit seinem grauen Sendling, Seriennummer 138, noch auf dem Acker unterwegs. Der verfügt sogar über nachgerüstetes Sonderzubehör: Sechs Schmelzsicherungen und Blinker, die man in den Dreißigerjahren offenbar noch für unnötigen Schnickschnack hielt. Unkaputtbar ist das Ding mit dem wummernden Einzylindermotor, der per Handkurbel zum Leben erweckt wird. Vor 15 Jahren wurde mal das Getriebe neu gelagert, das war's. Einmal habe ihm ein Jesenwanger 15 000 Euro geboten, erzählt Schwarzmann. Nichts da. Unverkäuflich! Schließlich dürfte es nur noch etwa zehn Sendlings dieser Baureihe geben.

Der Maisacher Bulldogstammtisch feiert sein 20-jähriges Bestehen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ziemlich rustikal klingt auch der Schlüter-Standmotor, den Josef Schmid aus Olching mitgebracht hat. Man kann zusehen, wie die Stößelstangen über Kipphebel das Auslass- und das Einlassventil betätigen. Der in München hergestellte Einzylinder hat in den Zwanzigerjahren Hobel, Kreissäge und weitere Geräte in der Estinger Schreinerei Haagn angetrieben. Schmid hat das archaische Gerät wieder instandgesetzt, ebenso wie seine alten Unimogs - ein erfüllendes Hobby für den 80-Jährigen. Ähnlich ist das bei Stammtisch-Chef Rieber. Der Logistiker hat vier Aicher-Bulldogs - vom "Schmalspurer" bis hin zum Mammut, Baujahr 1963, der durchaus fürs "Holzmachen" noch Auslauf bekommt. Riebers Aicher-Quartett steht zu Hause bei Wind und Wetter im Freien. Die paar Tropfen am Sonntag lassen die abgehärteten Oldies also auch ohne Verdeck kalt.

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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