Süddeutsche Zeitung

Maisach:Ins Maul geschaut

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Beim Schäfertag im Rahmen des Volksfests werden die Tiere gestreichelt - und prämiert

Von Karl-Wilhelm Götte, Maisach

Die braunen Jura-Schafe sind sehr zutraulich. Sie lassen sich bei der Maisacher Schafsausstellung in ihrem kleinen Gehege genüsslich am Kopf streicheln. Kinder dürfen sie sogar an die Schnauze fassen. Die dreijährige Lilet ist eine besonders eifrige Streichlerin. "Pass auf, da ist dein Finger weg", sagt ein anderes Mädchen warnend zu ihr. Doch Lilet lässt sich nicht beirren. Auch nicht als ein größerer Hund den Schnauzkontakt zu den Schafen sucht. Nebenan blökt ein Schafbock aus der Rasse der schwarzköpfigen Fleischschafe sehr laut und eindringlich.

Etwa 70 Schafe werden auf der alljährlichen Ausstellung während des Maisacher Volksfestes den Juroren vorgestellt. Die gehen zu dritt von Gehege zu Gehege. Bewertet wird auf einer Skala bis neun, der besten Note. Als Schreiber ist diesmal ein Schweizer angereist. Rolf Rüfenacht ist der Präsident der Berner Schafzuchtvereinigung. "Bewertungskriterien sind die Wolle, die Bemuskelung, die äußere Erscheinung und das Gangwerk", erklärt Rüfenacht. Drinnen im Gehege stehen Christian Mendel und Maike Ditzig - beide tragen als Arbeitskleidung lange, schwarze Kittel. Mendel ist bei der Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising für Schafzucht zuständig. Ditzig hat die schweißtreibende Aufgabe die Schafe festzuhalten, um deren Wolle und das Gebiss zu untersuchen. "Sie ist Azubi zur Preisrichterin", sagt Mendel. Er selbst fungiert als Oberpreisrichter und sagt Rüfenacht die Noten an.

Gerade ist das Jurorentrio bei den sechs Rhönschafen von Simon Rauh aus Maisach angekommen. Der Zwölfjährige sitzt auf dem Zaun und wartet auf die Bewertungen. "So wie es ist, ist es", sagt er gelassen. Die Preisrichter vergeben dreimal 7,5 für seinen Schafbock. "Glückwunsch - gut gemacht", lobt Chefpreisrichter Mendel den Buben. Etwa hundert Schafe halten die Rauhs. Es sind Nutztiere, damit sich die Haltung lohnt, müssen sie das Fleisch verkaufen. Vater Wolfgang Rauh ist Metzger am Ort und steht heute am Grill im nahen Bauhofgelände. Sein Sohn betreibt seine kleine Schafzucht als Hobby. "Ich spiele aber auch Fußball", sagt er. "Meine Schafe muss ich aber auch täglich kontrollieren", erzählt der Realschüler. Gegenüber weint die kleine Tiana ganz jämmerlich auf dem Arm vom Opa. Das zweijährige Mädchen hat bei einem Schafgehege den Kopf durchs Gitter gesteckt und nur mit Opahilfe wieder rausbekommen. Das hat wehgetan.

Alle Schafe sind von ihren Besitzern für die Ausstellung herausgeputzt worden. Viele strahlen so weiß, als ob sie in der Badewanne gelegen hätten. Johann Morigl aus Karlsfeld stellt gleich drei Rassen aus. Sein Texel-Bock hat für die Bemuskelung die Höchstnote neun erhalten. Morigl ist Vorsitzender vom Maisacher Schäferstammtisch, der die Ausstellung veranstaltet. Der Verein hat Mitglieder aus den Landkreisen Landsberg, Fürstenfeldbruck und Dachau. Etwa 70 Schafe, weniger als in den vergangenen Jahren, sind heuer bei der Schafschau im Rahmen des Maisacher Volksfestes zu sehen. Sonst waren es meist um die hundert. Die in Deutschland grassierende Blauzungenkrankheit, eine Virusinfektion der Tiere, habe verhindert, dass Aussteller von weiter weg gekommen seien, erklärt Morigl. Er hält die Schutzmaßnahmen für übertrieben, da es nur je einen Krankheitsfall weit weg in Nordrhein-Westfalen und im Saarland gegeben habe.

Vorne bei den Juraschafen ist die kleine Lilet kaum von den Tieren wegzubringen. "Da müssen wir wohl eines mit nach Hause nehmen", sagt die Mutter und lacht. Zum "Lammbraten", worauf ein Schild hinweist, kommt sie nicht mehr. "Da werden sie gestreichelt und dort gegessen", fasst eine Besucherin die Veranstaltung aus ihrer Sicht kritisch zusammen.

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Quelle:
SZ vom 26.08.2019
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