Haustiere:Tagesstätte ohne Erziehungsauftrag

Haustiere: Roswitha Messinger kümmert sich um einen ihrer Gasthunde.

Roswitha Messinger kümmert sich um einen ihrer Gasthunde.

(Foto: Lukas Barth)

Bei Rundog in Gernlinden kümmert sich Roswitha Messinger mit ihrem Team jeden Tag um fremde Hunde. Auch mit den schwierigen Fällen kann die 64-Jährige umgehen.

Von Isabel Strathmann, Maisach

"Axis, Schluss jetzt!", ruft Roswitha Messinger. Sie sitzt in einem alten Sessel unter dem Vorbau einer Holzhütte. Neben ihr ist ein Zaun, dahinter ein kleiner Shetland Sheepdog, der laut bellt. Er ist zusammen mit drei anderen Hunden in einem Auslauf. "Das ist einer meiner ersten Hunde", sagt die 64-Jährige. Vor etwa zehn Jahren übernahm sie auf einem Gelände in Gernlinden am Waldrand eine Hundetagesstätte. Messingers Hunde, das sind die Schützlinge, die sie und ihr Team morgens von 6.30 Uhr an von ihrem Zuhause in der Umgebung bis München abholen, den Tag über in der "Huta" betreuen und nachmittags wieder heimbringen. Etwa drei Stunden sind sie bei jeder Tour unterwegs. Das sei kein Problem für die Hunde, die nach und nach in die Transportboxen im Auto kommen. "Die kennen das", sagt Messinger. Sie betreut zudem Hunde am Wochenende, im Urlaub der Besitzer oder über Nacht. Nur die 13-jährige belgische Schäferhündin Franka gehört wirklich ihr.

Aktuell hat sie tagesabhängig etwa zehn Hunde da, es waren aber auch schon mal 20 bis 25. Viele Besitzerinnen und Besitzer seien noch im Home-Office und können so ihre Hunde verpflegen. Vom Bullterrier über Zwergdackel, Mischlinge, Dalmatiner, Retriever bis hin zur Dogge sind die Rassen bunt gemischt. Genauso vielfältig seien auch die Gründe, warum die Besitzer ihre Hunde in die Tagesstätte geben. Bei "Scheidungswaisen", wie Messinger sie nennt, hat sich ein Paar gemeinsam in der Beziehung einen Hund angeschafft, nach der Trennung ist nun eine Person allein für ihn zuständig. Das bedeutet bei Berufstätigen häufig, dass das Tier acht bis zehn Stunden allein wäre. "Lieber ist er dann in der Hundetagesstätte, wenn man es sich leisten kann", sagt Messinger. Viele hängen an dem Hund, genauso wie die Kinder in diesen Scheidungsfamilien, weshalb die meisten ihre Hunde nicht abgeben.

Manuela Kaes aus Olching nimmt Messingers Angebot für ihre Hündin Rosy in Anspruch. Die dreijährige Dalmatinerhündin ist ihr erster eigener Hund, sie ist aber schon mit Hunden aufgewachsen. Sie ist alleinstehend und muss tagsüber arbeiten, daher ist Rosy fünf Tage die Woche in der Hundetagesstätte. Bereits bevor die 42-jährige einen Hund zu sich genommen hat, hat sie sich überlegt, wie sie ihn während der Arbeit gut versorgt. Für das erste halbe Jahr fand sie eine Freundin. Die eigentliche Idee für die Zeit danach: ein Gassiservice. Das sei auch billiger. Rosy verstand sich mit den anderen Hunden allerdings nicht so gut, weshalb Kaes sich nach einer Tagesstätte umschaute. "Mein Hund ist da ein bissl schwierig in der Hinsicht", sagt sie. Über das Internet hat sie Rundog gefunden und sich aufgrund der kleinen Gruppengrößen dafür entschieden. "Die Frau Messinger schaut sehr genau, wer mit wem zusammenpasst." Dort ist Rosy nun den Tag über mit ihrem Vollbruder zusammen, dessen Besitzer über sie auf die Betreuung von Messinger aufmerksam geworden sind. Ob sie auch schon die Betreuung über Nacht genutzt habe? "Bisher habe ich es noch nicht gebraucht", sagt sie. Aus Kostengründen würde sie sich erst einmal bei Freunden umhören, das Angebot von Messinger aber auch nicht ausschließen.

Haustiere: Zwölf umzäunte Auslaufmöglichkeiten gibt es für Hunde auf dem 7000 Quadratmetrer großen Grundstück.

Zwölf umzäunte Auslaufmöglichkeiten gibt es für Hunde auf dem 7000 Quadratmetrer großen Grundstück.

(Foto: Lukas Barth)

Axis bellt immer noch. Die Chefin der Tagesstätte steht auf. "Ich hole den mal eben da raus", sagt sie und bringt ihn in einen anderen Auslauf. Wirklich ruhig ist Axis trotzdem nicht. Messinger berichtet weiter über die Menschen, die ihre Hunde in ihre Tagesstätte geben: Die zweite Gruppe seien ältere Menschen, meist Frauen, die einen Hund als Kindersatz aufnehmen. "Zum Teil kommen die auch und fragen nach einem Platz, bevor sie sich den Hund zulegen, um ihn unterzubringen am Tag." Auch Veränderungen am Arbeitsplatz seien Gründe, das Tier in eine Tagesstätte zu geben. Denn Besitzer, die sich etwa während der Corona-Zeit einen Hund angeschafft haben und jetzt aus dem Home-Office wieder zurück ins Büro müssen, können den nicht immer mitnehmen. "Da habe ich jetzt so ein bis zwei Hunde da", sagt Messinger. Genauso ergeben sich manchmal unvorhersehbare Veränderungen, bei denen etwa die Person, die bisher immer zu Hause war, nun arbeiten gehen muss. Und schließlich kann es immer sein, dass sich jemand ein Bein bricht und nicht mit dem Hund rausgehen kann. Ob sich manche auch einfach mehr Kontakt für ihr Tier zu anderen Hunden wünschen? Nein, meint Messinger: "Das funktioniert meist nicht, weil sie nur ein bis zwei Stunden da wären." Die Hunde würden dann den Anschluss in den Gruppen verlieren und Unruhe in diese bringen.

Auch über Nacht werden Hunde betreut

Eine Integration in eine Gruppe geht Messinger behutsam an. Zuerst laufen die Neuen mit Franka, die verstehe sich eigentlich mit jedem Hund. Dabei beobachtet Messinger, wie sich der Hund verhält und zu wem er passt. Anschließend treffen die Neuen mit einzelnen Tieren aufeinander, bevor sie zur ganzen Gruppe gelassen werden. "Mein Ziel ist immer, mindestens zwei Hunde zusammen haben", sagt Messinger. Nur ein Kandidat, ein Schäferhund, sei momentan absolut unverträglich. Aber damit sei er glücklich und zufrieden.

Dieser Schäferhund, Uthax, gehört zu Alexandra Böhm. Die 55-jährige LKW-Fahrerin aus Bergkirchen bringt ihn in die Tagesstätte, da es in ihrem LKW im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt sei. "Dort ist er sehr gut aufgehoben. Der hat Spaß dran", sagt sie. Als sie aus persönlichen Gründen in eine Wohnung ohne Garten ziehen musste, schaute sie sich vor sieben Jahren nach einer Unterbringung für den mittlerweile achtjährigen Schäferhund um und nahm Kontakt zu Messinger auf. Für die Betreuung müsse jemand Verständnis und Ahnung von Hunden haben, denn auch ihr Hund sei nicht ganz einfach. Bei Messinger fühle sie sich in jeder Hinsicht gut aufgehoben. Böhm nutzt auch die Betreuung über Nacht und schätzt die Flexibilität, falls sie länger oder am Wochenende arbeiten muss. "Wenn er nicht bei mir ist, ist er dort. Das ist seine zweite Heimat."

Auf dem 7000 Quadratmeter großen Gelände stehen etwa zwölf Ausläufe in verschiedenen Größen. Abgetrennt sind diese durch Zäune aus Metall und Holz. Immer wieder sind Tore in den Gängen, damit die Hunde in ihren Bereichen bleiben. Messinger sei in der Umgebung eine der wenigen, die auch unkastrierte Hündinnen und Rüden nimmt, auch sogenannte Kampfhunde würde sie im Rahmen der gesetzlichen Regelungen nicht ausschließen, sagt sie. Sie selbst hat Rottweiler gezüchtet, die in Kategorie 2 der Listenhunde geführt werden. Das bedeutet, dass sie als potenziell gefährlich gelten, was aber mit einem Wesenstest widerlegt werden könne. Das mit der Hundetagesstätte, habe sich einfach ergeben. "Ich bin schon seit der Kindheit Hundefan", sagt sie. Sie hat bereits früher neben ihrem Beruf als Erzieherin im Hundeverein gearbeitet, Hundesport gemacht, Rettungshunde ausgebildet und in den Einsatz begleitet. Vereinzelt habe sie privat Hunde betreut, bis sie das Gelände gefunden und es zu ihrem Beruf gemacht hat. Die Aufnahmebedingungen für die Hundetagesstätte seien, dass die Hunde geimpft und gesund sind, also etwa regelmäßig entwurmt werden. Auch eine Haftpflichtversicherung müsse vorhanden sein.

Haustiere: Auch mit sogenannten Kampfhunden hat die Betreuerin kein Problem.

Auch mit sogenannten Kampfhunden hat die Betreuerin kein Problem.

(Foto: Lukas Barth)

Eine Erziehung wie im Kindergarten findet nicht statt

Ob sie ihre Tagesstätte als einen Kindergarten für Hunde bezeichnen würde? Messinger schmunzelt und überlegt. "Jein", lautet ihre Antwort. Sie kennt sich als gelernte Erzieherin aus und nennt, aus ihrer Sicht, den Hauptunterschied: Der Kindergarten habe einen Lehr- und Erziehungsauftrag. Die Tagesstätte vermittle zu zwar auch "Regeln, die wir hier brauchen", also etwa gut an der Leine zu laufen oder sich in der Transportbox zu benehmen. "Die Hunde werden aber nicht von uns für die Leute erzogen." Wie häufig die Hunde in der Woche von dem Team abgeholt werden, ist unterschiedlich. Manche seien nur ein oder zwei Tage da, andere jeden Tag und wieder andere hole sie nur auf Abruf, etwa weil die Besitzer im Schichtdienst arbeiten. "München ist die Hauptecke", berichtet Messinger. Aus der Umgebung von Gernlinden seien so gut wie keine Hunde dabei, denn im ländlichen Raum kämen die Tiere noch häufiger mal bei Familienmitgliedern unter. "Das ist in der Stadt nicht gegeben." Sie hat die Schlüssel zu den Wohnungen der Besitzer, um die Hunde morgens abzuholen. Denn nicht immer kann sie zu genau der abgesprochenen Uhrzeit da sein. In Demonstrationen, Staus oder im Schnee verzögert sich die Fahrzeit.

Ob die Hunde gern zu ihr kommen? "Im Grunde schon, ja", sagt sie. Sie berichtet von einem Dackel, der in den Ferien vierzehn Tage bei ihr war. Als sie ihn zurück zu seiner Familie brachte, begrüßte er diese ganz freudig, kam dann aber wieder zu Messinger, weil er nach den zwei Wochen dachte, dass er wieder mit ihr fahre. "Die Hunde sind alle gern hier, aber auch gern zu Hause", sagt sie.

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