Süddeutsche Zeitung

Maisach:Friedliche Demonstration gegen die AfD

Etwa 150 Menschen folgen dem Aufruf von SPD und "Fürstenfeldbruck ist bunt". Derweil ruft Alexander Gauland die Partei vor 140 Gästen beim Frühschoppen zur Geschlossenheit auf

Von Stefan Salger, Maisach

Etwa 150 Demonstranten haben Alexander Gauland am Sonntagvormittag vor dem Maisacher Bräustüberl mit Buhrufen empfangen. Unbeirrt von dem Protest äußerte sich der stellvertretende Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) vor etwa 140 geladenen Besuchern zu bundespolitischen Themen. Innerparteiliche Querelen flammten lediglich in einer Diskussionsrunde auf. Die Kundgebung vor der Gaststätte verlief friedlich, eine Antifa-Gruppe wurde von Bereitschaftspolizisten abgedrängt.

Gegen 9.30 Uhr, eine halbe Stunde vor Beginn des Treffens, das sich der strategischen Ausrichtung der AfD widmen soll, formen die Demonstranten auf dem Bürgersteig vor dem Bräustüberl eine Menschenkette. Aufgerufen haben dazu die SPD und die Initiative "Fürstenfeldbruck ist bunt". Als sich eine schwarz gekleidete Gruppe am Eingang postiert und Transparente entfaltet mit Aufschriften wie "Verfassungsschutz auflösen" und "Naziaufmärsche zum Desaster machen", kommt Bräustüberl-Wirt Harry Faul heraus und fordert die Gruppe auf, die Einfahrt zu verlassen. Als sich elf Polizisten formieren, weichen die Demonstranten auf den Bürgersteig zurück.

In die Menschenkette eingereiht haben sich auch Larissa Tetsch und Pascal Eitner. Ihre Kinder Timo, 6, Elsa, 5, und Flora, 3, halten die Buchstaben "I" und "C", die zum Schriftzug "Fürstenfeldbruck ist bunt, nicht braun" gehören. Für die Kinder ist es die erste Demo, für den Vater, einen Lehrer, die erste, seit er vor 20 Jahren gegen Studiengebühren auf die Straße gegangen ist. "Wir wollen ein Zeichen für Toleranz und gegen die AfD setzen" sagt Eitner.

Drinnen im ersten Stock sitzt ein anderer Maisacher. Er sitzt unter der blau getäfelten Decke, schräg unter dem Ölgemälde, das eine Trachtlerin zeigt. Beim Blick aus dem Fenster könnte er am Balkon gegenüber ein Plakat sehen mit der Aufschrift "Maisach ist bunt". Ebenso wie draußen der Lehrer, nimmt drinnen der frühere Bauunternehmer für sich in Anspruch, auf der richtigen Seite zu stehen. 40 Jahre lang habe er der SPD angehört, dann sei er zur AfD gewechselt. Er kennt sich aus mit Geschichte und Ökonomie. Und er denkt, dass sich Deutschland auf einem Irrweg befindet. Anstatt Flüchtlinge in großen Zahlen aufzunehmen, solle man diesen heimatnah helfen. Und Pleiteländer wie Griechenland solle man aus dem Euro ziehen lassen, sagt er. Es gibt einige differenzierte Meinungen in kleineren Runden. Den meisten Applaus erhalten dennoch die besonders markigen Sprüche, nachdem Gauland von der AfD-Kreisvorsitzenden Linda Amon und dem oberbayerischen Bezirksvorsitzenden Florian Jäger zur Bayernhymne und mit wehenden Deutschland- und Bayernfahnen zum Rednerpult eskortiert worden ist. So etwa vom Bundesvorsitzenden des AfD-Mittelstandsforums, Hans-Jörg Müller, der vor der "Migranten-Mischbevölkerung" und muslimischen "Landnehmern" warnt, den "Gutmenschen" und der "Asylindustrie" den Hahn abdrehen will, Deutschland auf dem Rücken der kleinen Leute im Neofeudalismus versinken sieht und mit Schaubildern zu belegen versucht, dass "die Einheitspartei" von Linken bis CSU am linken Rand des politischen Spektrums klebt und die AfD die Mitte besetzt hält - mag er damit auch dem Landesvorsitzenden Petr Bystron widersprechen, der sagt: "Wir sind rechts und das ist gut so." Der Müller sei in der AfD umstritten und gebe mitnichten die Meinung der Partei wieder, sagt eine der wenigen Frauen, die an diesem Vormittag ins Bräustüberl gekommen sind. Später gerät Müller mit Wilfried Biedermann, dem Kandidaten von München-Land, aneinander. Es geht darum, ob jemand in der Partei wirklich die Tür zu einer Koalition mit einem Seniorpartner öffnen wolle, was aber alle weit von sich weisen.

Mit Metaphern operiert auch Jäger. Die Bundesregierung bekämpfe Feuer mit Benzin, schimpft er unter Anspielung auf die Flüchtlinge und die geöffneten Grenzen. "Und Seehofer hält Merkel auch noch den Benzinkanister." Die Sache mit dem Benzinkanister greift Gauland auf. Und auch der 76-Jährige will endlich raus aus der Rechtfertigungsecke. Gauland geht auf den internen Zwist nicht ein. Er spricht sich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und die Nullzinspolitik aus, nennt die Niederlande und Trump als Vorbilder, würde gerne auf die EU verzichten, geißelt "idiotisches Gutmenschentum" in der Einwanderungspolitik und kündigt an, den Wahlkampf auch aufs Saarland auszuweiten. Alexander Gauland warnt aber auch vor internen Querelen, durch die die AfD doch noch unter die Fünfprozenthürde gedrückt werden könnte. "Einig, einig, einig", beschwört Gauland. Die Gäste stehen auf und klatschen.

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SZ vom 20.03.2017
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