Süddeutsche Zeitung

Streit ums Geld:Unruhe in Seniorenheimen

Die Ankündigung von Preiserhöhungen bei Zusatzleistungen sowie der Nachtpauschale stößt bei Bewohnern der Elvivion-Häuser auf Unverständnis. Betreiber Senivita aber will nicht weiterhin unrentabel arbeiten

Von Erich C. Setzwein, Maisach

Von Unruhe bis Empörung reicht die Gefühlsskala bei Bewohnern der Elvivion-Häuser in Maisach, Gernlinden und Emmering nach der Ankündigung höherer Zusatzkosten. Nachdem sich schon Bewohner und Angehörige an den Maisacher Bürgermeister Hans Seidl (CSU) gewandt hatten, wird die Diskussion um die Kostensteigerungen nun auch politisch. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Maisacher Gemeinderat, Gottfried Obermair, forderte am Donnerstag vom Bürgermeister Aufklärung - und zwar schon in der Sitzung in der kommenden Woche. Derweil haben sich am Donnerstag Bewohner und Angehörige von Pflegebedürftigen getroffen, um ihre Reaktionen auf die Ankündigung, die Serviceleistungen und die Nachtpauschale zu erhöhen, abzustimmen.

Völlig unvorbereitet auf dieses Schreiben der Senivita Social Estate AG, der Betreiberin der Elvivion-Häuser, sei man gewesen, sagt Carsten Brehmer, der im Maisacher Pflegeheim lebt. Er regt sich über die Art und Weise auf, wie den Bewohnern die Erhöhung mitgeteilt worden sei. Er befürchtet für den Fall, dass die Preissteigerungen nicht akzeptiert werden, dass den Bewohnern gekündigt werde.

Eine Kündigung aber müssten die Bewohner in den drei Häusern von Senivita nicht befürchten, sagt der Sprecher des Unternehmens, Frank Elsner, und wehrt sich gegen die Behauptung: Sie sei falsch und bar jeder Grundlage. Preiserhöhungen bei Serviceleistungen seien von der Geschäftsleitung der Senivita-Gruppe beschlossen worden, weil diese Leistungen bislang nicht profitabel gewesen seien. Elsner konkretisiert: "Diese Anpassungen betreffen vor allem die Kosten für die Nachtpräsenz sowie die Abrechnung von Serviceleistungen wie Mahlzeiten, Wäschedienst oder Reinigung, die bisher nicht kostendeckend oder aus Kulanzgründen sogar unentgeltlich erbracht wurden."

Die Bewohner müssen sich laut der Firmenmitteilung darauf einstellen, dass sich "die Kosten der Einrichtungen im Durchschnitt anderer privater Anbieter in Oberbayern bewegen" würden. So steigt die Nachtpauschale für Pflegeleistungen von derzeit etwa 90 Euro auf 480 Euro im Monat.

Während die Betreiberin Senivita ihre zehn Häuser in Bayern, davon drei im Landkreis Fürstenfeldbruck, als betreutes Wohnen bezeichnet, war die Vorstellung der Gemeinde Maisach vor zehn Jahren, ein Pflegeheim zu bekommen, in dem vor allem pflegebedürftige Maisacher leben können. Die anfängliche Begeisterung über das damals nach umfangreicher Suche in ganz Bayern einzigartige Pflegekonzept ist bei Bürgermeister Hans Seidl inzwischen verflogen. Defiziten bei der Pflege der alten Menschen in den beiden Einrichtungen seiner Gemeinde seien ihm nicht bekannt, aber über die Jahre sei die Kommunikation zwischen Gemeinde und Betreiberin schlechter geworden. Die Art und Weise, wie etwa die Erhöhungen mitgeteilt werden, stößt auch Bewohner vor den Kopf. Und noch etwas bemängelt Carsten Bremer, ein ehemaliger Angestellter. In einem Facebook-Post äußert er sich so: "Steter Personalwechsel trägt zudem nicht gerade dazu bei, dass sich die Klienten wohlfühlen."

Wie sie sich nun verhalten sollen, welche Antwort sie auf das Schreiben von Senivita geben sollen und wie es in den drei Häusern im Landkreis weitergehen soll, darüber wollten sich am Donnerstagabend Bewohner und Angehörige bei einem Treffen in Emmering austauschen. Rückendeckung erwarten sie sich jedenfalls von der Politik. Maisachs Bürgermeister bestätigte, dass er dazu Anfragen erhalten und schon Gespräche geführt habe.

Wie es mit der Senivita-Gruppe weitergeht, interessiert auch die Gemeinde Maisach. So konnte die Senivita Social Estate AG, ein Joint Venture der Senivita Sozial gGmbH und des Baukonzerns Ed. Züblin AG, im Mai ihren Zinszahlungen einer zehnjährigen Anleihe nicht nachkommen. Als Grund für die Verzögerungen wurden in einer Adhoc-Mitteilung die Auswirkungen der Corona-Pandemie genannt. Bekannt ist, dass sich die Senivita-Gruppe in einer Phase der Umstrukturierung befindet. An einen Verkauf der bislang unwirtschaftlichen Seniorenwohnungen sei aber nicht gedacht, hieß es.

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SZ vom 10.07.2020
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