Maisach:Auf der Spur des Bösen

Zum 60. Jahrestag des Prozesses gegen den NS-Verbrecher Adolf Eichmann beschäftigen sich Schüler aus ganz Bayern mit dessen Biografie - auch eine Klasse aus Maisach

Von Florian J. Haamann, Maisach

"Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht." Dieses bekannte Zitat des großen Schoah-Aufklärers Max Mannheimer haben Schüler der Orlando-di-Lasso-Realschule auf ein blaues Roll-up gedruckt. Es ist Teil eines bayernweiten Projekts, in dem sie sich mit dem Prozess gegen Adolf Eichmann, den Chef-Organisatoren der Schoah, vor 60 Jahren beschäftigt haben. Dazu aufgerufen hatte das Bayerische Staatsministerium der Justiz gemeinsam mit dem bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle. Neben der Maisacher Realschule haben sich noch das Otto-von-Taube-Gymnasium in Gauting, das Wilhelmsgymnasium München und das Gymnasium Fränkische Schweiz Ebermannstadt an dem Projekt beteiligt.

Die vier Banner mit dem Mannheimer-Zitat und weiteren ähnlichen Aussagen des Staatsanwalts Fritz Bauer und von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sind freilich nur ein Teil der Arbeit, die die Schüler nun im Justizpalast vorgestellt haben. Den Schwerpunkt bilden eine Reihe von Videos, in denen sie sich mit der Frage beschäftigen "Was hat Adolf Eichmann mit uns zu tun?". Sie sollen helfen, das Geschichtsbewusstsein anderer Jugendlicher zu stärken. "Mit unseren Roll-ups und dem Film wollen wir junge Menschen zum Nachdenken auffordern", sagt die am Projekt beteiligte Schülerin Amanda Mannell. Eines der kurzen Videos, in denen die Schüler jeweils selbst sprechen, will herausfinden, ob sich so etwas wie das Nazi-Regime wiederholen könnte. Die ernüchternde Antwort: viel schneller, als man es sich überhaupt vorstellen kann, wenn man nicht wachsam bleibt.

Maisach: Gabriel Bach war einer der Staatsanwälte im Prozess. Er hält ein Foto, das ihn (Vordergrund) und Eichmann (Hintergrund) zeigt.

Gabriel Bach war einer der Staatsanwälte im Prozess. Er hält ein Foto, das ihn (Vordergrund) und Eichmann (Hintergrund) zeigt.

(Foto: Menahem Kahana/AFP)

Oder wie es Frank-Walter Steinmeier in seinem Zitat ausdrückt: "Denn wer sich nicht mehr daran erinnert, was geschehen ist, der hat auch vergessen, was geschehen kann." Um herauszufinden, wie viel ihre Generation überhaupt über Adolf Eichmann weiß, hatten die Schüler vorab über die sozialen Medien eine Umfrage gestartet, an der sich mehr als tausend Jugendliche beteiligten. Die Ergebnisse waren dann die Grundlage, auf der die Themenstellungen entwickelt wurden. Das Mannheimer-Zitat verwende er auch oft in seinen Reden, sagt der bayerische Justizminister Georg Eisenreich in seiner Würdigung des Maisacher Projekts.

Intensiv mit der Geschichte um die Eichmann-Prozesse haben sich auch die drei anderen teilnehmenden Schulen beschäftigt. Das Gymnasium Fränkische Schweiz Ebermannstadt entwickelte eine komplette Internetseite, auf der die verschiedenen Lebensstationen Eichmanns nachgezeichnet werden, mit Schwerpunkten auf seiner Flucht nach der Niederlage der Nationalsozialisten und dem Prozess. Auf diesen blickt sie auch aus der Perspektive der Philosophin Hannah Arendt und ihrer These von der Banalität des Bösen. Zu finden ist die Seite online unter https://eichmann-projekt.gfs-ebs.de.

Maisach: Für die Realschule bei der Präsentation(von links): Detia Czychon, Doris Lux, Amanda Mannell, Hanna Laritz und Sabine Graunke.

Für die Realschule bei der Präsentation(von links): Detia Czychon, Doris Lux, Amanda Mannell, Hanna Laritz und Sabine Graunke.

(Foto: Robert Haas)

Mit dem Ermittler Avner Werner Less beschäftigt sich das Gymnasium Gauting in seiner Arbeit. In einer Podcast-Reihe erzählt es die Geschichte des Mannes, der Eichmann mehr als ein halbes Jahr lang insgesamt fast 300 Stunden verhört hat. In den fünf Folgen geht es unter anderem um die Verhörtaktiken von Less, die sich während der Befragungen immer wieder veränderten, und um die Wirkung, die die intensive Auseinandersetzung mit Eichmann auf ihn persönlich hatte.

Eine weitere Schlüsselfigur in Zusammenhang mit Eichmann ist der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der in der jungen Bundesrepublik gegen große Widerstände für der Aufarbeitung der Verbrechen der Nationalsozialisten gekämpft hat. Ihm hat das Münchner Wilhelmsgymnasium eine interaktive Collage gewidmet. Sie zeigt nicht nur Bauers Werk, sondern auch seine große Rolle im Ringen um eine angemessene Erinnerungskultur.

"Den Schülerinnen und Schülern ist es gelungen, mit ihren Beiträgen überaus lebendige und innovative Zugänge zur historischen Bedeutung des Eichmann-Prozesses zu schaffen", lautet dann auch das Fazit des Kultusministers Michael Piazolo.

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