Lesung  mit Gitarrenbegleitung:Gruselstimmung in Germering

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Den Auftakt des Abends hat Uwe Kosubek dem König der dunklen Winterabende reserviert: Edgar Allan Poe. (Foto: Günther Reger)

Gelungener Mystery-Abend in der Stadtbibliothek

Von Sonja Pawlowa, Germering

Huschende Gestalten im peitschenden Regen in einer dunklen Novembernacht - so hat der Mystery-Abend in der Stadtbibliothek noch vor dem eigentlichen Start begonnen. Dementsprechend befand sich das Publikum bereits in der richtigen Stimmung für ein bisschen Grusel. Der schummrig beleuchtete Raum, die Kerzen auf den Tischen und das im Eintrittspreis enthaltene Glas Rotwein tauchten die Bibliothek in ein heimeliges Licht.

Bibliotheksleiterin Christine Förster-Grüber überprüfte noch rasch die Tontechnik, damit keine schrillen Geräusche Adrenalinausstöße zur Unzeit hervorriefen, und gab dann, nach einer knappen Begrüßung, die Bühne frei für die Stars des Abends: Den Schauspieler Uwe Kosubek und die junge Gitarristin Silvia Brenner. Die Auswahl der Texte hatte Kosubek selbst getroffen. Stöbern in Bibliothek, Beratung durch den Literaturwissenschaftler Andreas Leufgens und persönliche Vorlieben haben das Programm ergeben, erklärte er. Im Wechsel mit den Musikeinlagen, die eine geheimnisvolle Atmosphäre schufen, las Kosubek Schauerliteratur vom Feinsten. Der Auftakt war dem König der dunklen Winterabende reserviert: Edgar Allan Poe mit "Das verräterische Herz". Die Kurzgeschichte mag noch so mancher aus der Schulzeit kennen. Der Unterschied zwischen stillem Lesen im Kämmerlein und dem Vortrag eines Schauspieler war jedoch frappant: Gebannt hing das Publikum an den Lippen des Vortragenden.

Andere Texte hingegen waren vom Titel her vertraut, wenn auch eher als Film: "Rosemarie's Baby", "Dracula" oder "Wenn die Gondeln Trauer tragen". Speziell "Dracula" bot eine ungeahnte Überraschung, denn die Erotik des Vampir-Motivs ist in Bram Stokers Roman überdeutlich ausgeführt.

Dass alle drei Geschichten anlässlich der Debatte um sexuellen Missbrauch eine neue Dimension des Grauens beinhalten, war aber wohl keine Absicht bei der Programmzusammenstellung. Sei es "Rosemarie's Baby", das vom der Vergewaltigung bezichtigten Roman Polanski verfilmt wurde, mit Mia Farrow in der Hauptrolle - die wiederum Woody Allen wegen Kindesmissbrauchs verklagte und gewann. Dass die Passage aus Ira Levins Roman auch noch eine Vergewaltigung beschrieb, war somit nur noch das Tüpfelchen auf dem i.

Da wirkte Silvia Brenner mit einer Mischung aus Klassik (Tschaikowskys Hamlet, Erik Satie und Paco de Lucia) und einer Interpretation mit Gesang von Nirvanas "Something in the way" sehr besänftigend.

Beim Autor H. P. Lovecraft und seiner Geschichte von den "Ratten im Gemäuer" tat sich eine fantastische Welt auf, die sich in Abgründe vorchristlicher Kulte samt Opferriten bewegte und zugleich das Misstrauen gegenüber damals recht neuen Wissenschaft der Psychologie ausdrückte. Man kann davon ausgehen, dass Lovecraft in nächster Zeit öfter aus der Bibliothek entliehen wird. Den Appetit auf mehr hat Kosubek sicherlich geweckt. Unterhaltung, Bildung, Anregung - in allen Bereichen traf die Veranstaltung ins Schwarze.

Ein Schmankerl wird am 25. November in der Bibliothek präsentiert, nämlich Oliver Pötzsch, der aus seinem Roman "Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf" liest. Pötzsch ist eine Ausnahmeerscheinung der heimischen Literaturszene. Seine Romane verkauften sich weltweit millionenfach.

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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