Leserbriefe:Facetten der Sprachlosigkeit

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Ein Stimmungsbild der SZ-Leserinnen und -Leser zu den unangemeldeten Protestmärschen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen.

Die unangemeldeten Protestmärsche der Gegner von Corona-Maßnahmen im Landkreis rufen ein unterschiedliches Echo hervor. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Zu der Berichterstattung über die Demonstrationen gegen wie für die Corona-Maßnahmen in den vergangenen Wochen.

Im Rahmen des Saatkrähen-Monitorings widme ich mich in meiner Freizeit den Vögeln. Im richtigen Leben bin ich Mikrobiologe und praktiziere diesen Beruf auch. Es ist naheliegend, dass das Thema Corona speziell auch bei dieser Berufsgruppe seit Beginn der Pandemie in all ihren fachlichen Facetten im Fokus steht, das ist bei mir nicht anders. In diesem Zusammenhang ist es außerordentlich zu begrüßen, dass sich die SZ einschließlich der Lokalredaktionen bei diesem Thema um eine umfassende und objektive Berichterstattung bemüht und bei Bedarf auch eindeutig Stellung bezieht. Dies trifft auch für den Bericht über den vergangenen Montag-Abend in Fürstenfeldbruck zu, als Gegendemonstranten ein in die Luft gemaltes Herz als Zeichen der Solidarität setzten und sich anschließend als lange Kette an der Hauptstraße formierten. Ich nahm mit meiner Frau auch daran teil und erlebte dabei eine sehr wohltuende Stimmung. Was Ihren Kommentar angeht, teile ich diesen mit Ausnahme der beiden letzten Sätze einschließlich der abgeleiteten Kausalität für die Auftritte der sogenannten Schwurbler. Das Aussetzen der Patentrechte für Impfstoffe wäre nach Sachlage ohne Effekt, da die großtechnische Herstellung der mRNA-Vakzine ein höchst komplexer Vorgang ist und ohne Kooperation mit dem Entwickler schlechthin nicht durchführbar. Das ist mittlerweile erkannt, erste Projekte z.B. unter Beteiligung von BioNTech sind bereits in der Planungssphase. Was man dann noch bräuchte, wäre eine entsprechende Impfbereitschaft in den betreffenden Ländern. Und da sieht es größtenteils alles andere als rosig aus.

Dr. rer.nat Uwe Temper, Maisach

Einzelmeinung

Der Kommentar " Demokratischer Protest ist gefragt" (19. Januar) hat mich schockiert und sprachlos gemacht, denn er benutzt eine Sprache, die in dieser angespannten Zeit nur einen weiteren Keil in die ohnehin schon gespaltene Gesellschaft treibt und einen friedlichen Zug Maßnahmenkritischer Menschen haltlos diffamiert. Ohne Bezug auf die Aussage des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, der erst kürzlich bestätigte, dass die sogenannten Corona-Spaziergänger überwiegend "normale Bürger" sind, verbreitet der Autor offen in hetzerischem Wortlaut Unwahrheiten bezüglich der Zusammensetzung der Menschen, die er ausschließlich als "Neonazis, Schwurbler und Impfgegner" aufs übelste diffamiert.

Er spricht den besorgten Menschen gar ab, für berechtigte Anliegen auf die Straße zu gehen, was bei den vielen Zehntausenden Menschen, die in über 1000 Städten aktuell montags ihren Unmut über die Maßnahmen kundtun, was ein weiteres fragwürdiges Bild auf das Demokratieverständnis des Autors wirft. Weiterhin stellt er haltlose Behauptungen auf, wie man auf der friedlich verlaufenden Demo bloß nicht über das Aggressionspotenzial hinwegtäuschen darf, weil - ebenfalls völlig haltlos - möglicherweise ein Kader einer Neonazipartei anwesend sein könnte. Ohne Beweis, eigener Beobachtung oder irgendeiner Evidenz seiner Thesen. Der Autor sollte sich lieber einmal mit den besorgten Bürgern unterhalten, dann würde er möglicherweise den Unterschied zwischen einem Impfgegner und einem Impfpflichtgegner lernen. Für mich grenzt diese abgedruckte Einzelmeinung schon an Volksverhetzung und entspricht wohl kaum der aktuellen, tatsächlichen Lage.

Nicolas Ghirlanda, Glattfelden/Schweiz

Absurde Einschätzung

Die Einschätzung des Landratsamts Fürstenfeldbruck, dass von den Protestmärschen "keine verstärkte Ansteckungsgefahr" ausgehen würde, wie die Pressesprecherin des Landratsamts im Artikel " Protestzüge nicht verboten" (15./16. Januar) zitiert wird, ist absurd und darf nicht unwidersprochen bleiben. Seit einigen Monaten gibt bzw. gab es zeitweise in weiten Teilen Deutschlands für sensible Innenstadtbereiche eine vom RKI empfohlene und behördlich angeordnete Maskenpflicht im Freien sowie die Vorgabe, sich an den Mindestabstand zu halten, so auch in FFB.

Die sogenannten Spaziergänger sind nachweislich weitgehend ohne Maske unterwegs, halten sich nicht an Mindestabstände und dürften mehrheitlich ungeimpft sein. Nach Meinung des Landratsamts soll nun plötzlich von ausgerechnet dieser Personengruppe keine Gefahr ausgehen? Das Landratsamt weiß es demnach besser als die Wissenschaft, auf welcher Grundlage maßt sich das Landratsamt an, sich in Widerspruch zu Entscheidungen der politischen Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene zu setzen?!

Es hat den Anschein, als ob das Landratsamt FFB, das bereits seit längerer Zeit durch mangelhaftes Krisenmanagement auffällt, hier aus Bequemlichkeit und Lethargie untätig bleibt. Es leistet damit einen Beitrag zur weiteren Verbreitung des Virus durch Coronaleugner und schützt durch sein Nichtstun letztlich die Täter, nicht die Opfer, die durch weitere Ansteckungen zu befürchten sind. Dass es auch anders geht beweisen Nachbarlandkreise, das Landratsamt FFB versagt hier leider wieder einmal. Ein Landrat, der nicht alle vorhandenen Möglichkeiten ausschöpft, um seiner Aufgabe, die Pandemie bestmöglich einzudämmen, nachzukommen, und der einmal mehr (siehe Luftfilter an Schulen) Aussitzen und Verzögern für die beste Alternative hält, wird zunehmend zur Belastung und ist untragbar.

Im Übrigen würde ich mir wünschen, dass die SZ sich im FFB-Lokalteil kritischer mit Geschehnissen und Aussagen nicht nur in diesem Fall, sondern generell auseinandersetzt und hinterfragt, anstatt diese zumeist relativ unreflektiert bloß wiederzugeben.

Martin Dischner, Fürstenfeldbruck

Ohne jede Aggression

Eine meines Erachtens vollkommen richtige Einschätzung von Landrat Karmasin CSU, diese Kundgebungen nicht zu verbieten (" Protestzüge nicht verboten", 15./16. Januar). Eines vorweg, ich bin geimpft und Dank der ausgezeichneten Organisation der Brucker VHS auch seit Ende des vergangenen Jahres geboostert. Sollte es notwendig werden, bin ich auch nicht abgeneigt, weitere Impfungen anzunehmen, sofern diese dazu beitragen, dass die Menschheit vor schlimmen Verläufen der Krankheit verschont bleibt und wieder zur Normalität zurückkehren kann. So wie es derzeit aussieht, werde ich auch weder an Demonstrationen oder "Spaziergängen" pro, noch contra Corona-Maßnahmen teilnehmen und ich kann durchaus von mir behaupten, dass ich diesen Treffen neutral gegenüberstehe. Auf dem Weg in ein Lokal in der Hauptstraße und vom dortigen Fensterplatz aus konnte ich mir ein objektives Bild davon machen, wie sich der Korso entlang der Hauptstraße auf und ab bewegt hat. Ruhiges Hintereinander -Herschlendern ohne jegliche Aggression war hier zu beobachten und ich denke, wenn jede Maikundgebung so friedlich abgehen würde, wäre das durchaus im Sinne der Anlieger und der diensthabenden Polizeibeamten.

Unsere Demokratie muss es, wie ich glaube, akzeptieren, dass es Personen gibt, die Ressentiments gegenüber solch grundlegenden Entscheidungen haben, wie sie in den vergangenen Monaten getroffen wurden. Wenn viele Bürger, wie auch ich, diese Einschränkungen mittragen, muss es trotzdem Menschen weiterhin gestattet sein, diese in Frage zu stellen. Sicherlich könnten diese Protestanten mehr Akzeptanz erwarten, wenn sie Masken tragen würden. Auch Abstände einzuhalten, die nebenbei bemerkt, den Protestzug sogar noch verlängern würden, wäre absolut anzuraten. Abschließend möchte ich es nicht versäumen, den anwesenden Polizeibeamten ein großes Lob und Dank dafür auszusprechen, wie diese ohne großes Aufsehen die Lage souverän unter Kontrolle gehabt haben. Sofern es weitere Kundgebungen geben sollte bleibt nur zu hoffen, dass diese weiterhin - von beiden Seiten - fair und ohne Provokationen ablaufen.

Christian Horger, Fürstenfeldbruck

Verunglimpfung

Es ist schon erstaunlich, wie sich die Spaltung in der Gesellschaft allein im sprachlichen Duktus des Kommentars " Argumentieren statt schwurbeln" (14. Januar) zeigt: Seine Kritik an den Versäumnissen der Bundesregierung bringt er in sachlicher, sprachlich korrekter Wortwahl vor. Völlig anders ist dagegen seine Wortwahl für die Menschen, die für ihre - ungehörte - Meinung auf die Straße gehen: Da liest man "Argumentieren statt schwurbeln" schon in der Überschrift, dann "Querdenker sprechen nicht reale Probleme an", "Hirngespinste, schwadronieren, Verharmlosung, Erfindung der jüdischen Weltverschwörung, schnurzegal, beschämen, verharmlosen, Hassprediger, Verschwörungsideologie, Schwurbler . . ." .

Geht's noch tiefer in die Niederungen der sprachlichen Verunglimpfung? Das ist ganz bewusst eingesetzte Wortwahl zur Diskriminierung vieler Bürger und zur Vertiefung der Spaltung der Gesellschaft.

Nun auch noch zum Inhalt: Seinem Wunsch nach Kritik am Gesundheitswesen kommen die Demonstrierenden angeblich nicht nach: Hier sei zur sachlichen Klärung angemerkt, dass in Olching seit Beginn der Corona-Maßnahmen ein Jahr lang jeden Sonntag Demonstrationen stattgefunden haben, ohne Beanstandungen der Polizei und schon damals wurden in etlichen Vorträgen die Missstände im Gesundheitssystem angeprangert. Doch statt einzuladen zum Gedankenaustausch haben der Autor und andere schon damals die Demonstrierenden verunglimpft und so eine Spaltung mit eingeleitet.

Wie wäre es, die "Spaziergänger" mal unvoreingenommen zu befragen, ohne Argumente aus dem Zusammenhang zu reißen und ohne verbale Unbeholfenheit ins Lächerliche zu ziehen oder als rechts/Nazi abzuqualifizieren. Herr Steinmeier hat schon mal einen Anfang gemacht. Diesem Beispiel könnte auch die SZ-Redaktion folgen.

Karin Schreiber, Puchheim

(Anmerkung der Redaktion: Bei den sogenannten Spaziergängen handelt es sich um unangemeldete Demonstrationen)

Beitrag zur Spaltung

Ich bin bei den Montagsspaziergängen mit dabei und lese natürlich die Kommentare Ihrer Zeitung. Bei dem Kommentar " Schreiende Widersprüche" (5./6. Januar) war ich schon sehr erstaunt. Das kann der Autor gut an einem Stammtisch machen, aber auf der ersten Seite sich anzumaßen er müsse den Einsatzleiter Herrn Fischer erklären, wie er seine Polizeieinsätze zu regeln habe, ist schon außergewöhnlich. Dazu außerdem, diese Spaziergänge sind friedlich, wie schon der Einsatzleiter der Polizei bestätigt hat, und werden auch so bleiben, das ist der Wunsch der Teilnehmer. Wenn Diskusionen entstehen, was gut ist, muss das nicht gleich als Wortgefecht bezeichnet werden.

Bei uns gehen sie alle mit, die Geimpften und die sich nie impfen lassen werden. Kapiert . . .

Bei allem was hier schief gelaufen ist, wir sind alle Menschen und machen jeden Tag Fehler. Diese sollte man aber kein zweites Mal tun, weil es zur Spaltung beigetragen hat.

Karin Schwinghammer, Fürstenfeldbruck

© SZ vom 21.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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