Ein Viertel der Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen. Das ging aus der im Vorjahr veröffentlichten Iglu-Studie hervor, die die Lesefähigkeit von Grundschülern im internationalen Vergleich untersucht hat. Schon vor der Corona-Pandemie hatte sich die Lesefähigkeit verschlechtert, seither ist sie noch weiter eingebrochen. In der Stadtbibliothek Puchheim nehmen Grundschüler beim Sommerferien-Leseclub derzeit sogar freiwillig ein Buch in die Hand. Der Andrang ist groß, von einem regelrechten „Lese-Boom“ berichtet Bibliotheksmitarbeiterin Janine Weinberger.
Gerade einmal zweieinhalb Wochen nach Beginn des diesjährigen Sommerferien-Leseclubs müssen bereits neue Bücher nachbestellt werden, denn das Buchregal, das den mehr als 50 teilnehmenden Kindern zur Verfügung steht, wirkt wie ausgeraubt. Die Nachfrage sei dieses Jahr so hoch gewesen, dass schon fast alle Bücher ausgeliehen sind, erläutert Weinberger. Der bayernweite Sommerferien-Leseclub, der gleichzeitig als Wettbewerb fungiert, ist eine Initiative der öffentlichen Bibliotheken zur Leseförderung von Kindern und Jugendlichen. 2022 wurde der Leseclub erstmals mit Unterstützung der Stadt Puchheim in der Stadtbibliothek veranstaltet. Dabei wird in zwei Gruppen unterteilt, Erst- und Zweitklässler treten gegeneinander an sowie Dritt- und Viertklässler.
Die Stadtbibliothek stellt den Kindern dazu etwa 300 eigens für den Leseclub erworbene Bücher zu Verfügung, dafür gibt die Stadt Puchheim mehr als 4000 Euro aus. In jedem Buch ist ein Fragebogen, den die Kinder nach dem Lesen beantworten müssen, um einen Stempel zu erhalten. Den Wettbewerb gewinnt, wer bis zum Ende des Leseclubs am 9. September die meisten Stempel in seinem Heft gesammelt hat. Die Bücher sind dabei altersgerecht geordnet, die Kinder der ersten und zweiten Klassen dürfen sich aber trotzdem an den anspruchsvolleren Büchern der Dritt- und Viertklässler versuchen und erhalten dafür sogar zwei Stempel. Andersrum gehe das aber nicht, sagt Weinberger.
Die zehnjährige Emma hat schon zweimal am Ferienleseclub teilgenommen und dabei den ersten und zweiten Platz belegt. „Man wird durch das Lesen eine bessere Schülerin, weil man so seinen Wortschatz verbessert,“ erklärt sie. Sie kann mittlerweile besser Deutsch lesen als ihre Eltern, die ursprünglich aus Rumänien kommen und sich manchmal schwer taten, wenn sie ihr auf Deutsch vorlasen. „Jetzt fragen sie mich, wenn sie ein Wort nicht kennen,“ sagt Emma. Durch die Stunden in der Bibliothek würde man seine Leidenschaft zum Lesen entdecken können, denn der Wettbewerb motiviere dazu, neue Bücher zu lesen.
Gerne teilen die Kinder ihre Lesebegeisterung auch innerhalb der Familie. Der achtjährige Moritz sagt, dass ihm früher oft seine Eltern vorgelesen haben, heute würde er das für seine kleine Schwester tun. Er gewann im Vorjahr in der Altersgruppe der Erst- und Zweitklässler und möchte diesmal wieder unter den drei Erstplatzierten sein, dafür will er 70 Bücher lesen. „Bis jetzt habe ich schon 40 Bücher geschafft,“ sagt er.
Und auch beim elfjährigen Luis wird die Liebe zu Büchern schon zu Hause vorgelebt. Seine Mutter habe selbst schon immer viel gelesen und ihm und seinen Geschwistern von klein auf vorgelesen. Er und seine kleine Schwester, die achtjährige Lena, machen dieses Jahr zum zweiten Mal mit. Die Stadtbibliothek kennen die Geschwister auch so schon gut, da sie auch außerhalb der Ferien regelmäßig herkommen, um sich Bücher auszuleihen. Luis liest gerne Roald Dahl, während Lena momentan am liebsten die Bücherreihe „Mein Lotta-Leben“ von Alice Pantermueller liest.
Dass die Stadtbibliothek Puchheim so gut besucht ist, liegt laut Janine Weinberger auch daran, dass regelmäßige Angebote wie etwa das Kinderbasteln geschaffen werden. Dadurch würden Familien die Stadtbibliotheken auf ganz unterschiedliche Art kennenlernen.
Bis zum letzten Tag können sich Kinder der ersten bis vierten Klasse noch beim kostenfreien Ferienleseclub anmelden, benötigt wird dafür nur ein Ausweis der Stadtbibliothek Puchheim. Am 9. September erhalten dann alle Teilnehmer eine Urkunde. Den jeweils drei Erstplatzierten pro Altersgruppe werden dort auch ihre Preise überreicht.