Lawinenunglück:Tod in Tirol

Ein Skitourengeher aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck wird von einer Lawine verschüttet. Obwohl die Gruppe gut ausgerüstet ist, können seine Begleiter den 42-Jährigen nicht rechtzeitig bergen.

Von Gregor Schiegl und Wolfgang Krause

Ein 42-jähriger Skitourengeher aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck ist am Samstag in den Tiroler Alpen in einer Lawine ums Leben gekommen. Wie die österreichische Polizei mitteilte, war der Mann am Samstagmittag mit seiner 41-jährigen Begleiterin und zwei weiteren Skisportlern aus dem Landkreis Dachau auf der 2870 Meer hohen Lamsenspitze in den Stubaier Alpen unterwegs. Der 42-Jährige fuhr bei der Abfahrt als erster in einen Hang hinein, wo sich ein Schneebrett löste. Seine nachfolgenden Begleiter warnten ihn noch, doch die Lawine verschüttete den Sportler.

Vermutlich handelte es sich um eine private Skigruppe. In den Skiclubs in Fürstenfeldbruck und Dachau wusste man am Montag nur aus den Nachrichten von dem Unglücksfall. "Glücklicherweise", wie alle sagen. Eine Gruppe der Bergsportabteilung des TSV Eintracht Karlsfeld war am Wochenende selbst in den Tiroler Alpen unterwegs, allerdings in Flecken, gut hundert Kilometer östlich des Unglücksorts.

Am Wochenende hatten die Behörden vor ungünstigen Wintersportbedingungen in Tirol gewarnt. Die Lawinengefahr war groß, zudem gab es teils stürmischen Wind und schlechte Sicht. Vor einer Woche war im selben Gebiet auf dem benachbarten Zischgeles ein Tourengeher von einer Lawine verschüttet worden, er starb im Krankenhaus.

Peter Veider, Geschäftsführer der Bergrettungslandesstelle in Tirol bestätigte der SZ, dass es in diesem Winter zu ungewöhnlich vielen tödlichen Lawinenunglücken in dem Bundesland gekommen ist - etwa fünfmal so viel wie sonst. "Wir haben in Teilen Tirols eine prekäre Situation wegen der Schneeschichtung." Er stelle aber auch fest, dass bei vielen Wintersportlern inzwischen das "Gespür für die Natur" fehle. Sie überschätzten sich selbst und gingen daher immer öfter fatale Risiken ein.

Dass selbst versierte Skitourengeher davor nicht gefeit sind, weiß der Fürstenfeldbrucker Klaus Zieglmeier aus eigener Erfahrung. Der ehemalige Sportlehrer und -wissenschaftler wurde 2009 selbst von einer Lawine verschüttet - gerade weil er mit lauter Profis unterwegs war, wie er heute sagt. Er war damals mit einer Gruppe in Südtirol unterwegs, von denen fast alle als Übungsleiter in Skivereinen tätig waren. Doch keiner habe die Verantwortung übernommen, alle verließen sich auf die anderen. So brach man morgens auf in dem Glauben, dass die relativ niedrige Lawinenwarnstufe zwei galt, dabei hatte es in der Nacht geschneit. "In Wirklichkeit war Warnstufe vier bis fünf", sagt Zieglmeier - also allerhöchste Gefahr. Schon beim Aufstieg auf die Falbanairspitze lösten vorausgehende Tourengeher eine Lawine aus. Der damals 64-Jährige versuchte noch, auf dieser zu reiten, wurde aber von einer nachfolgenden zweiten Ladung Schnee begraben. "Man denkt immer, dass Schnee weich ist, aber ich war wie zubetoniert", erinnert er sich. Sein Leben verdankt Ziegelmeier vermutlich seinem Piepser und der Tatsache, dass er sich im Schnee, wie er es gelernt hatte, eine Höhle biss, um möglichst lang Sauerstoff zu haben. Als ihn seine Kameraden nach 15 Minuten bargen, hatte er dennoch bereits das Bewusstsein verloren. Unterkühlt und mit leichten Prellungen wurde er nach Bozen ins Krankenhaus geflogen.

Zieglmeier hatte großes Glück. "Schon nach 18 Minuten sinken die Überlebenschancen rapide", sagt Thomas Bucher, Sprecher des Deutschen Alpenvereins (DAV). Obwohl die Gruppe, die den nun verunglückten Fürstenfeldbrucker begleitete, der Polizei zufolge "gut ausgerüstet war", ihn ortete und sofort mit Schaufeln begann, ihn auszugraben, hatte er kaum eine Überlebenschance: er war vier Meter tief verschüttet "Das ist eine katastrophale Verschüttungstiefe", sagt Bucher. Um den Verunglückten zu befreien, kann es bis zu einer Stunde dauern. Die Lamsenspitze kennt Bucher als "nicht besonders schwierig". Bei guter Sicht könne man die Hänge relativ sicher queren. "Die Kunst besteht darin, zu erkennen, wo die Schneebretter sind." Tourengeher sollten daher immer einen erfahrenen Bergsteiger dabei haben. "Extrem gefährlich" sei dieser Sport aber nicht. Die Tourengeher "stolpern auch nicht blindlings und ahnungslos umher." Nach der Statistik, die der DAV über seine Mitglieder führt, ist die Zahl der tödlichen Lawinenunfälle seit 60 Jahren konstant - obwohl sich die Zahl der Mitglieder in dieser Zeit verzehnfacht hat. "Das Risikomanagement ist heute viel besser als früher."

Auch Klaus Zieglmeier findet Skitouren weniger gefährlich als "Autofahren auf einer Bundesstraße." Einen Tag nach dem Lawinenunglück brach er schon wieder zu einer kleinen Skitour auf - um zu sehen, ob mit ihm alles in Ordnung ist. Er würde heute aber keine Hänge mehr gehen, die steiler sind als 30 Grad, außerdem achte er darauf, dass in den letzten 24 Stunden kein Neuschnee gefallen sei und keine großen Temperaturunterschiede herrschten.

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