SZ-Serie "Im Märzen der Bauer ...", Teil 4:Unter Strom

Die Hagelwalze vom Pfingstmontag hat auf dem Kreuthof gewaltige Schäden hinterlassen. Das beschert Georg Huber eine arbeitsreiche Zeit voller Stress.

Von Ingrid Hügenell, Puchheim

Anfang Juni ist Georg Huber sehr stolz auf seine Sojabohnen. Die Saat ist wunderbar aufgegangen, 60 Pflanzen stehen auf einem Quadratmeter, nach zweimal Striegeln noch 55, die Kollegen loben ihn. "Ein Traumbestand", sagt Huber selbst, und das beim ersten Versuch mit Soja als Ökolandwirt. Dann kommt die Hagelwalze vom Pfingstmontag. Nun stehen vielleicht noch 15 oder 20 Pflanzen pro Quadratmeter auf dem 20-Hektar-Acker, und sie sind klein, viel kleiner, als sie sein sollten. Wenn sie überhaupt noch Blätter haben. Dennoch ist das Feld grün. Es sprießen Beinwell, Ehrenpreis, Taubnessel und vor allem der Ampfer, den alle Bauern hassen. Denn er wird sehr groß, wurzelt tief, nimmt den Feldfrüchten Licht, Wasser und Nährstoffe. Nicht einmal die Tiere fressen ihn gerne, was auch gut ist, denn bei Rindern und Pferden kann er Vergiftungen auslösen. Da Huber als Bio-Bauer keine Herbizide mehr verwendet, ist das Unkraut für ihn ein großes Problem.

Dass Distelfalter und andere Schmetterlinge über das Feld flattern, interessiert den Puchheimer Landwirt gerade gar nicht. Wichtiger ist für ihn, was die beiden Hagelschätzer Anton Schmid und Johannes Ruff feststellen. Die Landwirte aus dem Raum Donauwörth-Dillingen arbeiten für die "Münchener und Magdeburger Agrar". Fünfeinhalb Stunden lang ist Huber mit den Hagelschätzern an diesem Tag unterwegs. Dabei muss er das Heu einbringen, bevor es das nächste Mal regnet. Für den Nachmittag hat er einen Termin mit dem Lohnunternehmer bekommen, der das Heu zu Ballen presst.

Die Tage sind arbeitsreich und stressig, Huber steht unter Strom. Am Abend zuvor hat er als Kreisobmann eine Mitgliederversammlung des Bauernverbands geleitet. Er verließ sie früher, weil eines seiner Pensionspferde eingeschläfert werden musste. Die alte Stute hatte seit langem Schmerzen. Um 22 Uhr kam der Tierarzt, Huber musste dabei sein. Früh ist er am nächsten Tag aufgestanden, es gilt, die Abholung des Pferdekörpers zu regeln, und um 9.30 Uhr geht es mit den Hagelschätzern aufs Triticale-Feld. Wer auf der B 2 daran vorbei fährt, erkennt auf den ersten Blick kaum einen Schaden. Doch das täuscht.

Die Experten stapfen mitten hinein in den Acker. Schmid schneidet ein großes Büschel Halme ab. Schon das ist schwierig - kaum eine Pflanze steht aufrecht. Schmidt diktiert, Ruff protokolliert auf einem Tablet: Totalverlust - ein Halm, der so niedergedrückt ist, dass ihn das Mähwerk nicht erfassen kann. Hochknicker, zehn Prozent Körnerabschlag. Totalverlust. Hochknicker, 90 Prozent Körnerabschlag. Hochknicker, taub. "Da schaut's wirklich schlecht aus", kommentiert Schmid. "Da wird er nicht viel ernten." Als Landwirt kann er nachfühlen, wie es Huber geht. Der steht mit unbewegter Miene ein Stück weg, er mag den Schätzern nicht über die Schulter schauen, weil er weiß, dass die das nervt. Schmid und Ruff haben schon viele Hagelschäden gesehen, auch in diesen Tagen im Landkreis. Was Huber widerfahren ist, sei ganz besonders schlimm, sagen sie. Am Ende des Tages wird sich herausstellen, dass nur zwei Getreidefelder wenig abbekommen haben. Sonst sind die Schäden noch gravierender, als Huber befürchtet hat. "Das Grausen kommt immer mehr", kommentiert er. "Aber wenn ich mich aufreg, wird's auch nimmer anders." Auf dem Sojafeld sind zwei Drittel der Pflanzen und 95 Prozent der Blätter verloren. Zwei Wochen nach dem ersten Termin wollen die Schätzer wiederkommen und nachschauen, ob sich die Bohnen erholt haben. Eher werden die Beikräuter die Kulturpflanzen überwuchern, sagt Huber. Und selbst wenn die Sojapflänzchen schneller wären, bliebe kaum genug Zeit damit die Bohnen rechtzeitig reifen und Huber sie dreschen und verkaufen könnte. Das zweite, ebenso große Sojafeld ist zur Hälfte so zerstört, dass die Fachleute von der Versicherung raten, es gleich umzuackern. Eine Freigabe dafür hat Huber aber noch nicht.

Also bleibt nur Schadensbegrenzung. Zunächst will Huber die Feldraine mähen und mulchen, um den Ampfer loszuwerden. Wenn die Hagelschätzer das zweite Mal da waren, wird er auch den ersten Sojaacker umbrechen und Erbsen säen. So ist der Boden bedeckt, die Erbsen sammeln wie die Sojabohnen Stickstoff, die Fruchtfolge wird eingehalten. Reifen werden die Erbsen nicht mehr, Huber wird sie am Ende unterpflügen. Das Getreide wird er wachsen lassen. So bleibe der Boden bedeckt, das Unkraut könne sich nicht ausbreiten, und vielleicht könne er doch den ein oder anderen Doppelzentner ernten und verkaufen, erklärt er. Auf dem Hof geben sich derweil die Handwerker die Klinke in die Hand, begutachten die Schäden, schreiben Angebote.

Nachmittags kann Huber endlich auf sein Grünland. Die Wiesen entlang der B 2, auf denen im Winter Wildschweine und Wühlmäuse gegraben haben, hat er drei Tage zuvor gemäht. Huber macht die Reißprobe mit einem Heubüschel: Gelingt die beim zweiten Mal, ist das Heu gut getrocknet und kann eingelagert werden. Sonst besteht die Gefahr, dass es schimmelt oder gärt. Huber ist während des Heumachens extrem angespannt. "Der Druck ist erst weg, wenn das Heu trocken unter Dach liegt", sagt er. "Jetzt Regen, das wäre eine Katastrophe." Denn auch die gepressten Ballen können schimmeln oder gären. Täglich ist das Heu bisher gewendet worden. Mit zwei Kreiselwerken wird es nun zu Reihen, den Schwaden, zusammengerecht. Wo Wildschweine und Wühlmäuse gewütet haben, holpert es beim Drüberfahren.

Über die Schwaden fährt nachher Johann Hollinger aus Überacker mit seiner Presse. Der 51 Jahre alte Landwirt hat eigene Felder und Wiesen, ist aber auch als Lohnunternehmer tätig. "Ich bin immer unterwegs, wenn das Wetter schön ist", sagt er, "wir können wenig Rücksicht nehmen auf Feiertage oder das Wochenende." 40 Prozent seiner Einnahmen generiert er, indem er auf anderen Höfen Heu zu Ballen oder Gras, Mais zu den mit Plastik umhüllten Silageballen presst. Silomais sei seine Spezialität, sagt Hollinger, den verkauft er in Bergregionen wo kein Mais wächst. Die Bullenmast aber müsse er aufgeben, die Fleischpreise seien einfach zu niedrig.

In der Pressmaschine zeigt ein Sensor genau an, wie viel Feuchtigkeit im Heu steckt. Es sind nur acht bis neun Prozent, ein sehr guter Wert. 3,70 Euro bekommt Hollinger pro laufendem Meter Heuballen. Bei Huber ist der Ertrag schlecht, eine Folge des kalten und trockenen Frühjahrs. Auf einer Fläche, die sonst etwa 150 Ballen hergibt, sind es nur 38. So sinkt auch das Einkommen des Lohnunternehmers. Für Huber wird das Heu aus dem zweiten Grasschnitt Ende August extrem wichtig, als Futter für die Pferde. Dann aber sind die Tage kürzer, ob das Gras richtig trocknet, ist unsicher. Wenn nicht, muss es eingewickelt werden. "Dann hab ich das ganze Plastik daheim, und es ist extrem teuer."

An diesem Donnerstag kann Huber endlich aufatmen: Alles Heu ist trocken in der Halle, deren Dach notdürftig geflickt ist. Die Ballen vom vorigen Jahr haben Huber und seine Mitarbeiter aus der Halle geholt. Die nach dem Hagel im Wasser lagen, konnten ausdampfen, viel ist wohl nicht kaputt. Ein Kollege hat ihm Flächen zum Heu machen überlassen, über den Preis müssen sie noch reden. Aber jetzt ist Huber sicher, dass das Futter bis nächstes Jahr reichen wird. Dass er sich überhaupt Sorgen machen musste, sei eine absolute Ausnahmesituation. "Eigentlich haben wir raue Mengen. Wir verkaufen eher Heu."

Diese und die bisher erschienen Folgen sind unter www.sz.de/landwirtschaft zu finden.

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