Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:Pionier der regionalen Vermarktung

Lesezeit: 3 min

Seit 25 Jahren gibt es die Solidargemeinschaft Brucker Land. Sie wurde gegründet, um Landwirte, Handwerk, Handel und Verbraucher zusammen zu bringen und den Umweltschutz zu fördern. "Unser Land" existiert nun in elf Landkreisen und in München

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Am Anfang war das Brot. Noch davor war die Idee von Elsbeth Seiltz, Bauern, Handwerk, Handel und Verbraucher zusammenzubringen zur Bewahrung der Schöpfung. Seiltz habe "Schluss mit dem Jammern" der Landwirte machen wollen, erinnert sich Rita Multerer. Daraus erwuchs die Solidargemeinschaft Brucker Land, die am Wochenende ihr 25-jähriges Bestehen feiert und deren Vorsitzende Multerer ist. Als Säulen kamen noch die Kirchen sowie Umwelt- und Naturschützer dazu. Das erste Produkt, das 1994 aus der Kooperation entstand, war ein Brot, aus regional erzeugtem Getreide gebacken, regional verkauft.

Ganz gezielt habe sich die Nassenhausenerin Elsbeth Seiltz, die heute Mikasch heißt, die passenden Leute zusammengesucht, erinnert sich Multerer, die vor 25 Jahren in der Landjugendbewegung aktiv war. Seiltz fragte sie, ob sie nicht mitmachen wolle. Multerer wollte, gehörte zu den Gründungsmitgliedern und ist seit 2018 Vorsitzende der Solidargemeinschaft Brucker Land. Wie vor 25 Jahren ist sie von der Idee überzeugt. "Das Schöne an der Brucker-Land-Geschichte ist, dass die Leute was tun aus Überzeugung und Idealismus", sagt sie. Elsbeth Mikasch hat sich mittlerweile völlig zurückgezogen.

Mit Brot fing 1994 alles an. Dr. Stanglmaier, Leiter des Landwirtschaftsamts (von links), Innungsmeister Franz Höfelsauer, Johann Kraut von der Erzeugergemeinschaft Getreide und Roland Schmid, Vorsitzender von Brucker Land, im Weizenfeld.

Rita Multerer (2. von links) war von Anfang an dabei.

Martina Oswald gibt Kochkurse,...

...und Elsbeth Seiltz hatte die entscheidende Idee.

Nicht nur im Brucker Land überzeugten die Initiatoren viele Menschen. Bis 2000 entwickelte sich unter dem Namen "Unser Land" ein ganzes Netzwerk von zehn Solidargemeinschaften von Augsburg über Starnberg bis Ebersberg und Garmisch-Partenkirchen - in elf Landkreisen und in München. 300 Mitgliedsbetriebe erzeugen heute für die Solidargemeinschaft mehr als hundert Lebensmittel. Sie gelangen über die in Esting ansässige Vermarktungs-GmbH in den Handel, seit Jahren auch in Supermärkte. Die Solidargemeinschaften sind als Vereine organisiert, die im Dachverein zusammenkommen. Angeboten wird immer noch Brot, es gibt auch Kartoffeln und Nudeln, Wurst, Fisch und Käse, Eier und Gemüse, frisch und konserviert, Zucker, Marmelade sowie Säfte und vieles mehr.

Das Obst für die Säfte sammelt Unser Land im Herbst bei Besitzern von Streuobstwiesen und einzelnen Bäumen ein und presst es selbst - eines der bekanntesten Projekte des Netzwerks, mit denen die Menschen in den Regionen zusammengebracht werden, wie Multerer erklärt. Bei einem anderen konnten 2017 Kinder und Erwachsene Getreide wie früher von Hand aussäen. In Neu-Esting wuchs der Hafer auf dem Acker von Landwirt Alfred Wagner unter der aufmerksamen Beobachtung der Saathelfer. Die Sonnenäcker, auf denen Leute ihr Gemüse selber anbauen können, Unser-Land-Geschenkkörbe und Radtouren zu den Erzeugern sind Multerer zufolge weitere Bausteine, ebenso wie Kochkurse für Kinder, aber auch für Lehrer, in denen vermittelt wird, "dass man mit guten Produkten aus der Region ein tolles Essen zubereiten kann, das nicht teuer sein muss". Das neueste Projekt in Zusammenarbeit mit dem Brucker Forum heißt "Brucker Land blüht auf" und dient in erster Linie dem Artenschutz. In vielen Gemeinden im Landkreis wurden mit heimischen Arten Blühflächen angelegt, für Bienen und andere Insekten. "Wie toll ist das!", sagt Multerer über die Initiative. Sie würde sich wünschen, dass gerade in Sachen Umweltschutz die Menschen mehr selber darüber nachdenken, was jeder einzelne beitragen kann.

Die Solidargemeinschaft wandelt sich ständig. "Wir überlegen immer, was ist unsere Zeit, wie entwickeln wir uns", sagt Multerer, und so beschloss man, mit Amazon Prime zusammenzuarbeiten. Der Online-Versand habe sich an Unser Land gewandt - eine Entscheidung, die im Landkreis einigen Unmut auslöste. Multerer sieht darin aber auch eine Chance, in Kontakt zu kommen und klar zu machen, dass man sich die Preise nicht drücken lasse. Nun lote man aus, ob man auch über die Plattform Brucker Netz oder unter eigener Regie in den Online-Handel einsteigen könne, sagt die Vorsitzende.

Zunächst aber wird gefeiert. Am Samstag, 6. Juli, findet in der Kirche Sankt Margareth in Malching einen Dankgottesdienst mit einem anschließenden Festabend für geladene Gäste. Zum Hoffest auf dem Dinkelhof, einem der Unser-Land-Betriebe, am Sonntag, 7. Juli, dürfen aber alle kommen, die sich der Solidargemeinschaft verbunden fühlen oder sie kennenlernen möchten. Von 11 bis 17 Uhr gibt es ein buntes Programm, bei dem man etwa hinter die Kulissen der Nudelproduktion blicken und die neue Mühle besichtigen kann, die Familie Dinkel zur Griesproduktion angeschafft hat. Es gibt Kuchen der Brucker Landfrauen, Fleisch vom Brucker Metzger, Nudelgerichte, ein Kinderprogramm und viele Informationen rund um 25 Jahre Brucker Land. Es spielen die Luitpoldmusikanten Germerswang.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4513323
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.07.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.