Landkreis:Problematische Ausbildungssuche

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Die 17-jährige Annabell leidet an einer Angststörung. Das macht es ihr besonders schwierig, eine Stelle zu finden

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Stabilität. Nichts ist für Annabell Ott (Name von der Redaktion geändert) wichtiger. Denn nur, wenn alles um sie herum nach Plan läuft, kann sie sorgenfrei leben. Doch in den vergangen Monaten ist die Welt der 17-Jährigen zerbrochen - schon wieder. Dabei hatte sich ihr Leben nach mehreren Schulwechseln und Therapien gerade erst gefestigt. Dann trennten sich Anfang des Jahres die Eltern, Annabel und ihre Mutter stehen vor einem Scherbenhaufen, vor allem finanziell. Nun hat die junge Frau einen großen Wunsch: eine Ausbildungsstelle finden. Damit sie etwas zu tun hat, damit die finanziellen Sorgen gemildert werden und die Existenzängste nicht noch weiter wachsen. Denn Unsicherheit ist wie Gift für ihre Krankheit. Annabel leidet seit ihrem sechsten Lebensjahr an einer Angststörung. Der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung möchte sie deshalb bei ihrer Suche und der Ausstattung für eine Ausbildungsstelle unterstützen.

Dabei hatte es schon einmal geklappt. Nach ihrem Schulabschluss hat Annabell in einem Nachbarlandkreis eine Stelle im medizinischen Bereich gefunden. Zwei Wochen ging es halbwegs gut, dann war sie zurück: die Angst. Panikattacken. Weinanfälle. Das Problem sei nicht unbedingt die Entfernung gewesen. Vielmehr waren es die Kollegen, die der neuen Auszubildenden deutlich gemacht haben, dass sie sie eigentlich gar nicht wollen und ihr deshalb auch kaum geholfen haben. Annabell war wieder alleine - und das in einem unbekannten Umfeld. Dazu kamen die Sorgen. Darum etwa, was passiert, wenn sie mal niemand in die Arbeit fahren kann. Den weiten Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu absolvieren ist für die 17-Jährige kaum regelmäßig machbar. Einen Führerschein hat sie noch nicht, ihn machen zu können, ist aktuell nicht mehr als ein Traum.

Denn die finanziellen Möglichkeiten von Mutter und Tochter sind stark begrenzt. Die Mutter arbeitet seit vielen Jahren Teilzeit. Mehrere Zweitjobs hat sie wegen fehlender Flexibilität durch ihren ersten Job verloren. Aufgeben und sich etwas anderes suchen kann sie ihn allerdings nicht, weil sie sonst die dazugehörige, günstige Wohnung verlieren würde. Dennoch leben die beiden nur knapp über dem Existenzminimum. Das wiederum verhindert mögliche Unterstützung. Die großen Sorgen die sich die Mutter macht, übertragen sich natürlich auch auf Annabell und befördern ihre Angstschübe.

Stabilität geben der 17-Jährigen vor allem ihre Tiere: Hündin Emily und das Pferd ihrer Schwester. Fast täglich fährt sie auf den Hof, um dort Zeit mit ihm zu verbringen. Dort fühle sie sich wohl und baue das Selbstbewusstsein auf, das ihr im normalen Leben oft so dringend fehlt.

Auch der Kontakt zu Kindern und alten Menschen ist etwas, bei dem sich Annabell wohl fühlt. Sie sei ein sehr sozialer Mensch, engagiert und willensstark. Eine Lehre in diesem Bereich ist für sie allerdings noch unerreichbar. Wegen ihrer Krankheit hat sie lediglich einen Qualifizierenden Hauptschulabschluss machen können. Deshalb sucht sie wieder eine Ausbildung im medizinischen Bereich. Fachangestellte wäre etwas, das ihr Spaß machen würde.

Ihre Krankheit wird die 17-Jährige wahrscheinlich niemals komplett los werden, sie ist nur schwer therapierbar. Immer wieder kann sie zuschlagen, wenn bestimmte Auslöser zusammenkommen. Zwei Therapien hat sie bereits hinter sich, sich danach jedes Mal wieder stabilisiert. Doch Probleme in der Schule, ein Unfall in der Familie und nun die Trennung der Eltern, haben sie immer wieder zurück geworfen. Wenn Annabell einen Anfall erleidet, ist sie oft stundenlang zu kaum etwas in der Lage. "Das war schon in der Schulzeit sehr schwer. Am Abend war sie noch motiviert und am Morgen ging gar nichts mehr. Manchmal hat sie es erst gar nicht aus dem Bett geschafft, manchmal kam die Attacke erst im Auto vor der Schule. Da hilft dann gar nichts mehr, und wir mussten zurück fahren", erzählt die Mutter.

Die vielen Fehlzeiten haben dann auch zur sozialen Exklusion des Mädchens geführt. Ein erster Schulwechsel hat die Situation kaum verbessert. Erst als sie dann an eine kleine Schule mit einer sehr freundlichen Klasse und einer verständnisvollen Lehrerin kam, konnte sie sich wieder in den Schulalltag eingliedern - und schließlich ihren Abschluss machen. Nun hofft sie darauf, in einem ebenso verständnisvollen Umfeld zu landen und mit ihrer Ausbildung den nächsten Schritt in ein selbständiges Leben machen zu können.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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