Jugendzentren im Landkreis:Noch fehlt die Unbeschwertheit

Im Zuge der Lockerungen haben auch die Jugendzentren im Landkreis die Türen geöffnet. Bei Pädagogen und Besuchern ist die Freude groß, sich wieder zum Entspannen, Spielen und Reden treffen zu können. Allerdings gelten mehr Regeln als zuvor

Von Lea Schellenberg

Vor gut drei Monaten mussten nicht nur Restaurants, Geschäfte und viele andere Einrichtungen schließen, sondern auch die Jugendzentren. Nach dreimonatiger Pause dürfen diese wieder ihre Türen öffnen und den Jugendlichen einen geschützten Raum in ihrer Freizeit bieten. Unter strengen Hygienemaßnahmen versuchen die Betreuer den Betrieb in den Jugendzentren wieder aufzunehmen und ihre sozialpädagogischen Aufgaben zu erfüllen. Über die Wiederöffnung freut sich jeder, doch die umzusetzenden Maßnahmen verändern und erschweren einiges.

Germering

Jugendzentren im Landkreis: So wie vor Corona ist es noch nicht, doch in die Jugendzentren (wie hier in Germering) kommt wieder Leben.

So wie vor Corona ist es noch nicht, doch in die Jugendzentren (wie hier in Germering) kommt wieder Leben.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Seit März waren die Türen der Jugendbegegnungsstätte Cordobar geschlossen, doch nun kommt langsam wieder Leben ins Haus. "Gott sei Dank ist jetzt wieder auf", bekundet Erwin Zißelsberger seine Freude darüber, dass es wieder losgeht und er seinem Beruf nachgehen kann. Er ist der Leiter der Jugendbegegnungsstätte der Stadt Germering. In der Cordobar trat er seinen ersten Job nach dem Sozialpädagogik-Studium an, und es gefiel ihm so gut, dass er blieb. Das Haus in der Mitte der Stadt solle ein Anlaufpunkt für alle Germeringer Kinder und Jugendlichen sein, die im geschützten Rahmen sinnvoll und zielgerichtet ihre Freizeit verbringen wollen. Er habe Generationen von Jugendlichen durchmarschieren sehen, und es dauere nicht mehr lange, dann kämen schon die Kinder der ersten Generation wieder, sagt er.

Wöchentliche Konzerte, gemeinsames Kochen, Kreativangebote wie Töpfern und Basteln, Übungsräume, ein kleines Fitness-Studio, ein Musik-Studio, Freizeit- Programme, Beratungen und Einzelfallhilfen - bei dem Angebot der Cordobar müsse für jeden etwas dabei sein, sagt der erfahrene Sozialpädagoge Zißelsberger. Das Haus solle ein Ort für Jugendliche sein, wo Geld keine Rolle spiele und kein Ausschlusskriterium darstelle. Doch das hat in den letzten Monaten wenig ausgemacht, da die Cordobar geschlossen blieb. In der ersten Woche habe man sich noch gedacht: "Schön, mal kein Deutschrap", scherzt Zißelsberger. Aber zu sehen, wie kein Leben in dem sonst so belebten Haus war, das sei kein schöner Anblick gewesen.

Das Team, bestehend aus Felicia Rediger, Maria Maier, Wolfgang Agreiter und ihm habe aber weiterhin gearbeitet und ungewohnte Aufgaben erledigt. Neben Arbeiten im Haus und dem stets besetzten Kummertelefon wurden unter anderem Hilfstätigkeiten wie die Unterstützung der Germeringer Tafel, Einkaufengehen für die Nachbarschaftshilfe und das Nähen von Masken unternommen. Am 15. Juni konnte das Haus endlich wieder öffnen - freilich unter strengen Auflagen. Die Besucherzahl ist auf 20 Personen begrenzt, beim Betreten des Hauses muss eine Maske getragen werden. Desinfektionsmittel steht bereit, die Hygiene- und Abstandsregeln müssen beachtet werden. Im gesamten Haus befinden sich Markierungen auf dem Boden, um Laufwege von einander abzugrenzen und die Richtung anzugeben. Anders als erwartet, wurden die Einschränkungen von den Jugendlichen gut angenommen. Auch Wolfgang Agreiter ist darüber erstaunt. Er müsse die Jugendlichen nicht mal darauf hinweisen, sie würden nämlich tatsächlich in den Ecken sitzen und die Abstände einhalten. Die Aufsichtspflichten der Betreuer, die Einlasskontrollen und die Einschränkungen würden die Jugendlichen nicht weiter stören, meint der Leiter. Man merke, dass sie es genießen, dass sie wieder Aufmerksamkeit bekommen und ihnen jemand zuhört und einen Rat gibt.

Seyyid und Altin sind zwei Tage nach der Wiedereröffnung in der Cordobar. Der 15- und der 17-Jährige sitzen am Eingang und unterhalten sich mit Felicia Rediger, die für die Einlasskontrolle zuständig ist. In Germering gebe es nicht so viele Freizeitangebote für Jugendliche, deshalb sei die Cordobar einfach cool, weil man dort neue Leute kennenlernen könne, die unter anderem auch aus anderen Städten kommen, sagt Seyyid. Doch den beiden ist auch aufgefallen, dass durch Corona und die Einschränkungen es nicht mehr ganz das Gleiche ist. Jeder habe Angst. Sonst konnte man sich mal freundschaftlich auf die Schulter hauen und sich einen Spaß erlauben, jetzt dürfe man nicht mal mehr nebeneinander gehen. Doch davon lassen sich die beiden nicht abhalten, ins Jugendzentrum zu kommen. "Man fühlt sich hier wie zu Hause", beschreibt Altin die Atmosphäre. Sein Freund Seyyid stimmt ihm zu. Mit der Zeit seien die Chefs schon so wie Freunde. "Die besten Betreuer einfach", meint Seyyid. Das alles vermisse man dann schon, wenn man nicht mehr ins Jugendzentrum gehen könne, sagen beide. Deshalb freuen sie sich sehr, dass die Cordobar wieder offen ist. Als Erwin Zißelsberger an den beiden vorbei kommt, wird gescherzt und gelacht, und man bekommt eine Idee von der Stimmung im Juz, von der die zwei Jugendlichen gesprochen haben. Da ist es kein Wunder, dass die Wiedereröffnung sehnsüchtig erwartet wurde.

Fürstenfeldbruck

Jugendzentren im Landkreis: Jugendzentrum Bruck mit Leiter Gernot Welsch.

Jugendzentrum Bruck mit Leiter Gernot Welsch.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

So wie in Germering ist auch in Fürstenfeldbruck die Freude über die Wiederöffnung groß. Der Leiter des Jugendzentrums (Juz) Nord und West in Fürstenfeldbruck, Gernot Welsch, konnte die Jugendzentren am 16. Juni wieder aufsperren. Es sei schleppend losgegangen, sagt er. Doch das hat Welsch erwartet, da sich die Neuigkeiten erst mal verbreiten und die Besucher sich an die Vorsorgemaßnahmen gewöhnen mussten. Man muss sich im Vorhinein anmelden und am Eingang seine Kontaktdaten abgeben, sagt der Leiter. Im Gebäude selber müsse zwar keine Maske getragen, aber auf den Abstand geachtet werden. Die Personenzahl ist auf zehn Besucher beschränkt. Sitzflächen sind mit rot-weißem Band abgeklebt, damit man sich nicht direkt nebeneinander setzen kann. Sehr einladend sieht das nicht aus. Diese Einschränkungen und Regeln machen den Besuch für die Jugendlichen nicht attraktiv. Die Hauptsache ist aber für alle, dass der Treffpunkt wieder geöffnetworden ist.

Der Stadtjugendpfleger und Leiter sieht die Wiederöffnung als einen wichtigen Schritt in Richtung Normalität an. Alle freuten sich, einander wieder sehen zu können nach dieser langen Pause. Laut Welsch hat beim Wiedersehen ein "bunter Mix aus Gefühlen" geherrscht. Der eine oder andere konnte es noch gar nicht ganz glauben, dass wieder geöffnet ist, sagt Welsch und fügt hinzu, man werde sich an die Einschränkungen gewöhnen, sie seien ja auch sinnvoll. Aber gut für die offene Arbeit ist das Ganze nicht. Er hofft auf allgemeine Verbesserungen der Situation und darauf, dass Corona nie wieder kommt. Damit er seine Arbeit wieder uneingeschränkt ausüben kann. Für Jugendliche da sein, Werte vermitteln: Das mache ihm Spaß und liege ihm, sagt Welsch, und deshalb mache er seine Arbeit so gerne.

Olching

Jugendzentren im Landkreis: In Olching wird am Billardtisch Abstand gehalten.

In Olching wird am Billardtisch Abstand gehalten.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Daniela Oswald fing mit Beginn der Pandemie in Olching an. Die Sozialarbeiterin trat am 1. März ihre Stelle im Juz an. Ganze drei Tage konnte sie die Jugendlichen sehen und kennen lernen, dann wurde die Einrichtung erst einmal zugesperrt. Oswald arbeitete viele Jahre lang begeistert als Buchhändlerin, wie sie sagt, doch da es in der Branche keine Festanstellungen mehr gibt, orientierte sie sich um. Auf der Suche nach etwas, das ihr genau so viel Freude bereiten sollte wie ihr vorheriger Beruf, stieß sie auf die soziale Arbeit. Mit Ende 30 begann sie ein Studium. Dabei kristallisierte sich heraus, dass sie mit Jugendlichen arbeiten wollte. Schließlich landete sie in Olching. Voller Euphorie wollte Oswald ihren neuen Job antreten, einen neuen Abschnitt beginnen, eine neue Tätigkeit ausführen - und wurde jäh von Corona gebremst. "Es ist schön, dass wieder Leben da ist", sagt die 44-Jährige. Sie habe die Arbeit mit den Jugendlichen in den vergangenen Monaten sehr vermisst. In der Zeit, in der das Jugendzentrum geschlossen blieb, wurde gestrichen, renoviert, ausgemistet. Auch an Konzepten wurde gearbeitet.

Momentan können nur acht Jugendliche gleichzeitig im Jugendzentrum sein. Besucher können sich anmelden, zwingend nötig ist das aber nicht. Im Fall, dass mehr als acht Personen in das Jugendzentrum möchten, haben die Angemeldeten Vorrang. Die Bereiche sind abgeklebt worden, am Eingang bekommen die Jugendliche eine Poolnudel zum Bemessen des Abstands. Auf diese Weise sollen sie ein besseres Gefühl für die Distanz von 1,50 Meter bekommen. Masken müssen nur in den Gängen getragen werden, nach eindreiviertel Stunden müssen die Jugendlichen für 15 Minuten die Räume verlassen, damit desinfiziert werden kann. Doch man merke, dass die Jugendlichen sich sehr wohl fühlten, wieder da sein zu können. Sie seien gesprächiger als sonst und insgesamt sehr entspannt und sehr höflich, meint Daniela Oswald.

Ihr Kollege, Berufspraktikant Stefan Leichtle, hat sich auch über die Wiederöffnung gefreut. Bereits seit einem Jahr absolviert er im Jugendzentrum in Olching sein Praktikum während der Erzieher-Ausbildung. Mit den Jugendlichen abzuhängen, das macht ihm nach eigener Auskunft sehr viel Spaß, ebenso viel, wie Zeit zusammen zu verbringen oder die Herausforderungen zu meistern, die durch spezielle Probleme der Jugendlichen aufkommen. Deshalb hat er auch so sehr die Arbeit vermisst. Als am Eröffnungstag, gleich um zwölf Uhr, acht Jugendliche vor der Tür gestanden sind und rein gewollt haben, habe man richtig gemerkt, dass sie das Jugendzentrum vermisst hätten, und auch ein bisschen die Betreuer, sagt Leichtle.

Philipp hat zu den ersten Gästen gehört. Der 14-Jährige steht am Billardtisch und wartet darauf, dass sein Freund die Kugeln anstößt. Philipp sagt, er habe es traurig gefunden, dass wegen Corona das Juz geschlossen wurde. Er sei oft hergekommen, um seine Freunde zu sehen, Billard zu spielen und vieles andere zu machen. Das nun wieder tun zu können, nennt er cool. So wie Philipp geht es auch Moise, Jeremy und Jannik. Sie alle haben das Jugendzentrum in den vergangenen Monaten vermisst. Draußen auf dem Basketball-Court bereiten sich Cengz und Alvaro auf ein Spiel vor und ziehen ihre Schuhe an. Die vorübergehende Schließung sei "nicht so nice" gewesen, aber sie hätten es auch verstanden. Cengz nimmt die Einschränkungen gelassen hin: "Wenn es sein muss, dann halten wir uns auch dran, das ist es uns wert." Und dann machen die beiden 17-Jährigen sich auf, um nach langer Zeit mal wieder ein paar Körbe auf dem Juz-Platz zu werfen.

Puchheim

Jugendzentren im Landkreis: Dartsspielen in Puchheim mit Leiter Florian Lux.

Dartsspielen in Puchheim mit Leiter Florian Lux.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Im Jugendzentrum "Stamps" in Puchheim warten Christos, Molham und Florian auf ihre Pizza. Sie sind eine halbe Stunde nach Öffnung die ersten Gäste. Christos und Molham sind vor Beginn der Corona-Pandemie zwei- bis dreimal die Woche im Jugendzentrum gewesen. Auch Florian, der aus Eichenau kommt, ist oft da gewesen. Während der Quarantäne sei es ihnen zu Hause bald langweilig geworden, erzählen sie. "Irgendwann wusste man auch nicht, was man machen sollte", meint der 13-jährige Christos und spricht damit auch für seine Freunde. Sie alle hätten es vermisst, ins Jugendzentrum gehen zu können, doch nun sei es endlich wieder möglich, sich zu treffen. Sie sitzen auf Sitzsäcken mit mehr als genügend Abstand zu einander auf der Bühne. Die Einschränkungen nervten sie zwar, aber sie kämen trotzdem, sagen sie.

Dass die Einschränkungen für die Jugendlichen sehr unattraktiv sind, weiß auch Jugendzentrumsleiter Florian Lux. Die vielen Auflagen machten es nicht nur den Jugendlichen schwer, sondern auch dem fünfköpfigen Team, sagt Lux. Der offene Betrieb stellt die Basis für die sozialpädagogische Arbeit dar. Durch das Zusammensein kann eine Bindung aufgebaut werden, so dass die Jugendlichen sich bei Problemen und Fragen den Betreuern anvertrauen. Durch Beratungsgespräche zu verschiedenen Themen wie Jobfindung, Polizei, Eltern und Liebeskummer soll den Jugendlichen geholfen werden. So hat auch Florian Lux zu einigen Jugendlichen sehr enge Bindungen aufbauen können. Der Sozialpädagoge leite das Jugendzentrum seit 20 Jahren. Neben der großen Ausstattung im Haus, dem Multifunktionsplatz im Außenbereich und der Werkstatt, betreibt die Einrichtung auch viel Prävention und geht an Schulen. Durch die Corona-Pandemie sind viele Kernaufgaben erschwert worden oder gar weggefallen. Nachdem die Mitarbeiter des Stamps drei Wochen lang das Landratsamt Fürstenfeldbruck bei der Corona-Nachverfolgung unterstützten, sind sie in die aufsuchende Arbeit gegangen. Sie haben die "Hotspots" in Puchheim aufgesucht und versucht, trotz der Pandemie mit den Jugendlichen in Kontakt zu bleiben.

Sozialarbeiterin Nathalie König erzählt, sie hätten die ganze Zeit darauf gewartet, wann es weiter geht, und ständig nachgeschaut, ob es Lockerungen gebe und was der Bayerische Jugendring (BJR) sage, der für die Jugendzentren richtungsweisend gewesen sei. Am 15. Juni hat das Team angefangen, das Haus nach dem Hygienekonzept herzurichten, so dass eine Woche später die Türen wieder geöffnet werden konnten. Am Einlass bekommen die Besucher nach der Datenerfassung eine Wäscheklammer, auf der die Uhrzeit der Ankunft steht, damit beim Verlassen des Hauses genau dokumentiert werden kann, wann wer da war, erklärt Lux die Regeln.

Sobald man sich bewegt, herrscht Maskenpflicht. In den Räumen ist festgelegt worden, wie viele Personen sich dort aufhalten dürfen, und auf die Toilette darf nur noch ein Besucher, darauf weist auch ein großes Schild an der Tür hin. Das alles engt die Bewegungsfreiheit der Jugendlichen sehr ein, da alles nun kontrollierter und vorgeschriebener sei, sagt die Sozialarbeiterin Amelie Schmid. Sie hat das Gefühl, mehr damit beschäftigt zu sein, Sachen zu desinfizieren und Zettel auszufüllen, als im Kontakt mit den Jugendlichen zu sein. Dabei gebe es vor allem jetzt viel zu erzählen nach der langen Zeit. So erzählt auch Sozialpädagoge Florian Lux, einerseits sei die Freude groß gewesen, dass wieder offen ist, aber auf der anderen Seite gebe es auch ein bisschen Frust bei den Jugendlichen, wenn sie merken, dass alles so reglementiert ist. Trotzdem ist der erste Tag mit den Jugendlichen wieder lustig gewesen. Als die Pizza fertig ist, stürzen Christos, Molham und Florian an die Theke. Ganz wie in alten Zeiten ist es zwar noch nicht, aber man ist wohl auf dem Weg dahin.

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