Süddeutsche Zeitung

Landgericht:Tausende Kinderpornos auf dem Rechner

Ein einschlägig vorbestrafter Rentner aus dem westlichen Landkreis soll im Internet Videos mit fast drei Tagen Laufzeit heruntergeladen haben. Der 67-Jährige muss sich vor dem Landgericht verantworten

Von Andreas Salch, München/Fürstenfeldbruck

Hans H. ist ein Mann mit Marotten. Zum Beispiel zähle er alles, so der 67-Jährige. Unablässig. Etwa seine Schritte beim Gehen. Oder die Silben der Wörter eines Textes, den er gerade liest. Außerdem ist Hans H. gerne im Internet unterwegs. Er chattet viel. Angeblich mit pädophilen Männern. Im Internet soll er Tausende kinder- und jugendpornografische Dateien heruntergeladen und zum Teil auch verbreitet haben. So wirft es die Staatsanwaltschaft dem gelernten Fotosetzer, der sich seit Dienstag vor der 3. Strafkammer am Landgericht München II verantworten muss, in ihrer Anklage vor.

Darin sind auf nicht weniger als 14 Seiten unter anderem detailliert die Chatgespräche aufgelistet, die Hans H. zwischen April und November 2017 im Internet mit anderen pädophilen Männern geführt haben soll. Ihr Inhalt macht fassungslos. Als Fahnder die Wohnung des 67-Jährigen im östlichen Landkreis durchsuchten, fanden sie unter anderem auch kinderpornografische Videos. Ihr Gesamtspieldauer beträgt laut Anklage zwei Tage, 17 Stunden und 39 Sekunden.

Hans H. saß die Hälfte seines Lebens hinter Gittern. 33 Jahre. In den 70er-Jahren wurde er kriminell. Es begann bei der Bundeswehr. Dort brach H. Spinde von Kameraden auf. Später beging er Unterschlagungen und brach in Supermärkte und Wohnungen ein. Einige Jahre war er sogar V-Mann und versorgte den Verfassungsschutz mit Informationen aus der linken Szene. Ende er 80er-Jahre habe er festgestellt, dass er sich sexuell für Kinder interessiere, so der 67-Jährige. Zunächst habe er Kinder nur aus der Ferne fotografiert. Es dauerte nicht lange und H. brachte Mädchen dazu, sich unter den Rock fotografieren zu lassen.

Hans H. muss bei einer Verurteilung nicht nur mit einer langen Haftstrafe rechnen. Wie die Vertreterin der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage erklärte, gehe es auch um die Sicherungsverwahrung. Sollte das Gericht unter Vorsitz von Richter Martin Hofmann diese Maßregel anordnen, gäbe es für Hans H. wohl kein Zurück mehr in ein Leben in Freiheit. Denn in der Vergangenheit hatte ein Gericht schon einmal seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hans H. hatte Kinder nackt fotografiert. Dabei profitierte er von seiner Akkreditierung als Fotograf eines FKK-Magazins. Er habe damals aber nicht nur FKK-Fotos von Kindern gemacht, so der 67-Jährige, sondern auch "obszöne Fotos". Insgesamt 15 Jahre saß der Fotosetzer für die Taten in Haft und in der Sicherungsverwahrung, ehe er im Juni 2011 wieder auf freien Fuß kam.

Zweieinhalb Jahre später dann die nächste Verurteilung wegen Besitzes und Verschaffens kinderpornografischer Schriften vor dem Landgericht München II. Vier Jahre und drei Monate Haft lautete das Urteil. Hans H. musste die Strafe nicht vollständig verbüßen und kam 2016 vorzeitig frei. Er bekam einen Bewährungshelfer und eine Reihe von Weisungen erteilt, gegen die er nicht verstoßen durfte. Unter anderem war es ihm verboten, im Internet Kontakt zu Personen mit pädophilen Neigungen aufzunehmen. Doch schon nach wenigen Monaten in Freiheit soll der Fotosetzer gegen diese und andere Weisungen verstoßen haben. In Chats soll er unter Spitznamen, sogenannten Nicks, wie "Gierschlund", "Rainer 37" oder "Happy.Daddy" behauptet haben, er habe Sex mit seinen eigenen Kindern. Ein Chat-Partner soll "Happy.Daddy" ein Treffen vorgeschlagen haben, zu dem jeder seine Tochter mitbringen solle, damit man sich an ihnen vergehen könne.

Als Richter Martin Hofmann Hans H. fragte, was er zu den Vorwürfen zu sagen habe, begann der 67-Jährige mit der Verlesung einer etwa 40-seitigen Erklärung. Darin bezeichnete er die Chats auf Plattformen für pädophile Kontakt als "Fake-Chats". Er habe mit sich selbst unter verschiedenen Nicks gechattet, behauptete der Fotosetzer. Mitunter habe er mehrere "Personen gespielt", alle unter einem anderen Nick. Auf diese Weise habe er in den Chatrooms einen "Diskussion provozieren" wollen. "Ich bin alle Personen", sagte Hans H. Außerdem habe er gar keine Kinder. Diese seien "eine reine Erfindung". Er habe mit sich selbst korrespondiert. "Das fand ich einfach nur witzig", so der 67-Jährige. Die Geschichten in den Chats seien pervers, aber er habe sie sich nur ausgedacht. Geschichten zu erfinden und zu schreiben, sei für ihn wie ein Zwang gewesen, so H. Ein Urteil in dem Prozess soll Ende Januar ergehen.

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SZ vom 09.01.2019
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