Süddeutsche Zeitung

Kunstweg:Olchinger Kunstufer

Entlang des Mühlbachs zeigen am Sonntagnachmittag neun Maler auf Staffeleien ihre Werke. Für die zahlreichen Spaziergänger ist diese temporäre Freiluftgalerie eine angenehme Überraschung auf ihrem Wochenendspaziergang

Von Florian J. Haamann, Olching

Olching ist nicht Paris. Der Mühlbach ist nicht die Seine. Und am allerwenigstens ist die kleine hellblaue Fußgängerbrücke mit ihren Liebesschlössern dort der Pont Neuf. Aber an guten Tagen, wenn wirklich alles zusammenkommt, dann ist es möglich, dass etwas von berüchtigten französischen Flanierflair bis dorthin strahlt. So wie am Sonntagnachmittag. Bei strahlendem Sonnenschein und einem leichten, angenehm kühlenden Wind haben neun Olchinger Künstler zu einem Spaziergang entlang des Mühlbachs eingeladen. Auf Staffeleien am Wegrand haben sie ihre Werke ausgestellt. So ist auf knapp 500 Metern eine temporäre Freilichtausstellung entstanden.

Für die zahlreichen Radfahrer und Spaziergänger, die meisten einfach mit der Absicht, einen kleinen Wochenendausflug zu unternehmen, eine angenehme Abwechslung. Sogar der ein oder andere Bootsfahrer auf dem Mühlbach wirft einen neugierigen Blick auf das Treiben, dass sich da am Ufer abspielt. Manch ein Besucher überwindet sich gar, die neben ihren Werken bereitstehenden Künstler anzusprechen. Auch Gabriela Schneider steht neben ihren Bildern und gibt gerne Auskunft. Für sie ist es die erste Ausstellung unter freiem Himmel. Eine willkommene Abwechslung, gerade in Zeiten, in denen klassische Ausstellungen rar sind.

"Wir hoffen, dass wir im Herbst vielleicht noch mal drinnen was machen können. Von daher ist das hier ein super Konzept", sagt die 62-Jährige. "Wir", das sind die Mitglieder ihres VHS-Malkurses, den sie seit drei Jahren besucht. "Ich habe schon als Kind gerne gemalt, aber dann ist es irgendwann eingeschlafen. Und jetzt, wo mein Sohn groß ist, habe ich eine Aufgabe gesucht, auch als Ausgleich zur Kopfarbeit, die ich im Beruf erledige", erklärt sie ihre Motivation. Der eine finde diesen Ausgleich beim Joggen oder Yoga, der andere eben in der Kunst. "Wenn ich total gestresst bin und dann zwei Stunden male, ist mein Kopf danach wieder völlig frei."

In ihrer Motivwahl lässt sie sich von bekannten Kunstwerken inspirieren. So zeigt sie ihre Versionen von Frieda Karlos "Selbstporträt mit Affe und Katze" oder dem "Selbstporträt im grünen Bugatti" der polnischen Art-Deco-Malerin Tamara de Lempicka. Es sind handwerklich ordentliche Kopien, denen man die Freude an der Malerei ansieht. So ist es mit den meisten Arbeiten, die da entlang des Mühlbachs aufgestellt sind. Es sind die Gemälde von engagierten Freizeitmalern, die ihre Werke einmal einem größeren Publikum vorstellen wollen. Damit erinnert die Freiluftgalerie tatsächlich stark an die vielen Straßenkünstler, denen man überall in den Urlaubsmetropolen begegnet, die dort ihre Porträts und Stadtlandschaften mit den jeweiligen Sehenswürdigkeiten anbieten.

Ganz aktuell und politisch sind dagegen die Gemälde, die Helmut Eichmüller im Schatten einiger Bäume aufgestellt hat. Etwa seine beiden Kühe, die den Betrachter vom rechten und linken Bildrand mit ihren friedlichen großen Augen anschauen. Hinter ihnen weidet eine einzelne Artgenossin friedlich auf einer saftig-grünen Wiese. Zwangsläufig bekommt man bei diesem Anblick die schrecklichen Bilder der eingepferchten und schmutzigen Schweine und Rinder in den Kopf, die in den vergangenen Tagen überall wieder und wieder zu sehen sind. Und so ist Eichmüllers so harmonisch daherkommendes Gemälde eine schrille Anklage.

Auch sein Triptychon "All you can eat" beschäftigt sich mit dem Thema Ernährung. Ein Frosch auf einem Messer, eine Heuschrecke auf einer Gabel und eine Schnecke auf einem Löffel stellen zugleich die Fragen, wie sich die Gesellschaft künftig ernähren möchte, aber auch, was an manchen Orten als Delikatesse gilt, während es woanders eher Ekel hervorruft.

Einige Meter weiter, bei den Werken von Siegline Schmid, geht es dann aber wieder erbaulicher zu. Ihre "Dame mit Schirm" sitzt im weißen Kleid an einem steinigen Ufer, den Blick aufs aufgewühlte Meer gerichtet. Für Schmid, die seit 2010 malt, ist es die erste richtige Ausstellung. "Sonst arbeitet man vor allem in seinem Kämmerlein", sagt sie - und dass sie schon ein bisschen aufgeregt sei. Angefangen hat sie als Autodidaktin. "Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich an meinen Grenzen angekommen bin und angefangen, Kurse und Workshops zu besuchen". Nun also ist sie Teil dieser besonderen kleinen Ausstellung. In ihrem Klappstuhl sitzend, schaut sie auf die Besucher, die vor ihren Werken stehen bleiben. Sicher nicht ohne etwas Stolz und vor allem viel Freude.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2020
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