Kunst:Küchenmixer, Nacktmull, Farborgan und Wirbelsäulenplastik

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Eine Installation von Martin Stiefel (links) aus Handmixern ist optisch wie akustisch die Auffälligkeit der derzeitigen Ausstellung im Haus 10. Die Musikerinnen Esther Balazs und Alicia Henry (rechts) haben sich dazu auch etwas einfallen lassen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Unter dem Titel „Überwelt tanzt Unterwelt“ bieten vier Künstler im Haus 10 in Fürstenfeldbruck derzeit eine sinnesfreudige Ausstellung.

Von Elisabeth Grossmann, Fürstenfeldbruck

Eine Reihe von Handmixern sind nebeneinander auf einer hölzernen Werkbank angebracht. Jedes Küchengerät ist über eine Schnur mit einem außergewöhnlichen Gegenstand verbunden, darunter ein künstliches Gebiss und ein buntes Xylofon. Die Konstruktion ist ein echter Hingucker unter den Objekten der Gemeinschaftsausstellung „Überwelt tanzt Unterwelt“, die derzeit im Haus 10 in Fürstenfeldbruck zu sehen ist. Doch die Besonderheit der Installation ist nicht die  Optik, sondern sind die Geräusche, die entstehen, wenn der Schöpfer des „Mixer Sound Systems“, Martin Stiefel, die Geräte einschaltet. Dann rotieren die Rührstäbe und die damit verbundenen Gegenstände bewegen sich. Auf diese Weise klappt ein Gebiss auf und zu und Metall streift über die Platten des Xylofons. Ein außergewöhnliches Klangbild entsteht.

Zur Eröffnung der Ausstellung, die Stiefel gemeinsam mit den Künstlern Silke Bachmann, Hartmut Fenge und Elsa Nietmann kreiert hat, führte er sein Soundsystem vor. Stiefel und die Musikerinnen Esther Balazs und Alicia Henry improvisierten ein fünfzehnminütiges Stück zu den ungewöhnlichen Beats des Systems. Anschließend bewunderten die Besucher die Malereien von Bachmann und Fenge, die Objekte von Nietmann sowie weitere bewegte Kunstwerke von Stiefel.

„Bachmann und Stiefel kenne ich seit mehreren Jahren. Irgendwann sind wir auf die Idee gekommen, zusammen auszustellen“, sagt Fenge. Sie bekamen eine Zusage des Kulturfördervereins in Fürstenfeldbruck und entschieden, eine vierte Künstlerin aus einer anderen Sparte aufzunehmen. Bachmann, 53, schlug die Bildhauerin Nietmann vor. Alle vier sind hauptberufliche Künstler, aber keine feste Gruppe, so Stiefel. „Wie wir auf den Titel gekommen sind, weiß ich gar nicht mehr“, so Bachmann, „Wir haben einfach ein wenig rumgespielt.“ Laut Fenge symbolisiert Bachmann den Bereich Unterwelt, weil sie das Unterbewusstsein in ihren Malereien aufgreift. „Das bedeutet aber nicht, dass ich die Überwelt bin“, sagt Fenge schmunzelnd.

Vertikal sind die abstrakten Bilder von Hartmut Fenge ausgerichtet. (Foto: Carmen Voxbrunner/Carmen Voxbrunner)

Auch Fenges Malereien, besonders die seiner aktuellen Reihe, entstehen nämlich größtenteils unterbewusst. Seine knalligen und graphischen Bilder beginnt der Künstler immer mit vertikalen Linien. „Mal sind diese eckig, mal kurvig, mal verwinkelt “, sagt der 66-Jährige. Je mehr Linien Fenge auf das Papier zeichnet, desto deutlicher lassen sich Flächen dazwischen erkennen, die der Freisinger mit Pastel-Öl-Kreiden ausmalt. Dabei spart er nicht an Farbe. Kräftige, auffällige Töne sind sein Markenzeichen. Besonders fasziniert dem Maler das Zusammenschmelzen der Linien zu unvorhersehbaren Formen. „Ich will nicht schon von Anfang an wissen, was auf dem Bild später zu sehen sein wird, sondern spiele mit Überraschungen“, sagt der Künstler. Auch wenn er im Nachhinein immer etwas in seinen Bildern erkenne, etwa Menschen, sei das Ergebnis stets ungewollt.

"Das Rauschen" hat Silke Bachmann in diesem fünfteiligen Kunstwerk verarbeitet. (Foto: Carmen Voxbrunner/Carmen Voxbrunner)

In Bachmanns Malereien hingegen sind keine ungeplanten Motive zu finden. Sie kombiniert Themen, die ihr wichtig sind mit Elementen des Erinnerns und Träumens. Im Haus 10 stellt die Künstlerin unter anderem das Ölgemälde „Das Rauschen“ aus. Bachmann beschreibt, dass sich alle Erfahrungen einer Person in einem Grundrauschen zusammentun und denjenigen durch sein Leben begleiten. „Das Rauschen“ besteht aus fünf einzelnen Bildern, von denen jedes eine andere Stimmung, Farbe und Thematik verfolgt.

Auf der ersten Leinwand sind überwiegend große Formen in Rot und Rosatöne zu sehen. „Die Farben und Formen symbolisieren unser Inneres. Unsere Organe“, sagt Bachmann. Dazwischen platzierte die Künstlerin eine weibliche Brust, die der dominante Teil des ersten Bildes ist. Völlig anders ist die vierte Leinwand. Tiefes Blau und dunkles Braun überwiegen. Am unteren Bildrand liegt eine schlafende Person. „Ich glaube, das ist eine Frau. Und ich bin sicher, dass sie gerade träumt“, sagt Bachmann. In der oberen rechten Ecke schlafen Nacktmulle. Bachmann ist von den Tieren fasziniert und baut sie häufig in ihre Bilder ein. „Sie leben im Untergrund, verborgen von der Welt und der Gesellschaft, die sich vor ihnen ekelt, weil sie nicht unserem Ideal eines süßen Tieres entsprechen“, sagt die Malerin.

Dem gesellschaftlichen Ideal von Perfektion will auch Stiefel nicht entsprechen. Seine bewegte Kunst soll „unperfekt und klapprig“ sein. Der 70-jährige Münchner sagt: „Es darf auch mal was wegfliegen, während ich Musik mache.“ Schon seit fast 30 Jahren verwendet Stiefel die Mixer für seine Kunst. Die Geräte selbst setzt  er immer wieder für unterschiedliche Projekte ein. „Ich kann auch Pinsel an den Stäben befestigen und damit malen“, sagt der Künstler. Derzeit beschäftige er sich jedoch mehr mit „dem Tanzen und den Geräuschen". Er arbeitet mit Musikern zusammen und offenbart seine ungewöhnliche Musik bei Aufführungen.

Eine hölzerne Plastik aus der "Wirbelsäulenreihe" von Elsa Nietmann. (Foto: Carmen Voxbrunner/Carmen Voxbrunner)

Gänzlich anders sind Nietmanns Holzarbeiten. Die Bildhauerin hat zwei Serien ins Haus 10 mitgebracht: Arbeiten aus der „Wirbelsäulenreihe“ und der aktuellen „Würfelreihe“. Exemplare der älteren Serie sind modern und natürlich, die Holzwürfel hingegen sind bunt bemalt und spielerisch gestaltet. Die 45-Jährige hat Sterne und Streifen in die Blöcke geschnitzt, sie in kalten Grün- und Blautönen und warmen Erdfarben bemalt und aufeinandergestapelt. „Ich empfinde eine tiefe Liebe zu den isländischen Farben, besonders in das Eisblau habe ich mich verliebt“, so die Münchnerin. Auch bei den Symbolen habe sie ausgesucht, was ihr am besten gefällt.

"Überwelt tanzt Unterwelt" ist noch bis zum 23. Februar in der Kulturwerkstatt Haus 10 in Fürstenfeldbruck zu sehen. Eine klangliche Vorführung wird Martin Stiefel am Abschlusstag um 16 Uhr noch einmal zum Besten geben, unterstützt von Friedo Niepmann an der "Blechkistenviolone" und Michael Lange, welcher elektronische Töne beisteuert.

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