Süddeutsche Zeitung

Kunst:Von Kapitalisten, Klerikern und Faschisten

Das Kunsthaus Fürstenfeldbruck präsentiert zwei Bilderzyklen von Guido Zingerl. Das Publikum erlebt den Künstler dabei in dessen gewohnten Rollen - als großen politischen Kritiker und klugen Karikaturisten

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Er ist der große politische Künstler des Landkreises: Seit Jahrzehnten arbeitet sich Guido Zingerl am Zustand der Republik und der Gesellschaft ab, an der Geschichte, den dunklen Seiten der Menschheit. Seine Werke, mit grobem Strich auf die Leinwand gebracht, sind schreiende Anklagen. Grob, schonungslos, oft provozierend. Das Kunsthaus Fürstenfeldbruck zeigt nun in der Ausstellung "Unsäglich und Sagenhaft" zwei Zyklen Zingerls, die von Anfang 2019 bis Mitte 2020 entstanden und damit hochaktuell sind.

Eine Abrechnung mit all dem, was Zingerl am aktuellen Zustand der Gesellschaft stört - und das ist so einiges -, ist der 2019er-Zyklus "Das Narrenschiff". Darin thematisiert der 88-Jährige noch einmal all jene Motive, die sein Werk schon seit so vielen Jahren begleiten: Ausbeutung, globale Ungerechtigkeiten, Kapitalismus, Konsum, Krieg, Faschismus. Der Zyklus besteht aus 16 Gemälden, einem Triptychon, einem Pentaptychon, elf Zeichnungen und 13 Karikaturen, die allesamt in der Ausstellung zu sehen sind. Angeordnet sind sie praktischerweise der Reihe nach so wie im vom Zingerl herausgegebenen Buch, so dass der Besucher mit der Publikation in der Hand Seite für Seite Werk für Werk abschreiten kann.

Zentral dabei ist das titelgebende Pentaptychon "Das Narrenschiff". Zu sehen ist eben jenes Narrenschiff. An Bord alle, die Zingerl für den Zustand der Welt verantwortlich macht: zwei feiste Kapitalisten, Kleriker, Militärs - und ein SA-Mann. Unter ihnen durch die Bullaugen sind die Skelette derer zu erkennen, die das System am Laufen halten müssen. Am Himmel werfen Kampfjets Bomben ab, die ganze Welt brennt. Ein Stacheldraht hindert Menschen in einem gelben Schlauchboot daran, dieser so grauenvoll wirkenden Welt überhaupt nahe zu kommen. Und über allem sitzt der Allmächtige mit seinen Engeln und schaut recht verloren. Die vielen kleinen Episoden, die in diesem eindrucksvollen Werk anklingen, finden sich dann in Variationen in den restlichen Bildern des Zyklus wider.

Aktuelle Motive, etwa zum Klimaschutz, gibt es ebenso wie Historisches. Dabei blickt Zingerl auch über die Grenzen Europas hinaus. "Der atlantische Genozid" zeigt den Einfall europäischer Truppen auf dem amerikanischen Kontinent, wo sie Mensch und Tier niedermetzeln.

Einen Blick auf seine Wahlheimat Fürstenfeldbruck wirft Zingerl im zweiten Zyklus "Das Geheimnis der griechischen Eule - Asam. Apollon. Amper". Der Tenor der Werke ist dabei nicht ansatzweise so apokalyptisch, die Bildsprache nicht so brutal und düster. Es ist die zweite Seite des Künstlers, die in diesen Werken mehr Raum bekommt: Zingerl als Karikaturist. In zwölf Arbeiten verbindet er die Geschichte der Kreisstadt mit den Heldentaten der Antike. Als Inspiration haben ihm die bei der Renovierung des Churfürstensaals wiederentdeckten Arbeiten des Künstlers Hans Georg Asam aus dem späten 18. Jahrhundert gedient - die der damaligen Mode entsprechend, die antiken Mythen thematisieren.

Da sitzt Asam verzweifelt vor der Klosterkirche und überlegt, was er noch malen kann, als Athene erscheint und ihm eine Eule schenkt. Auch die Nymphe Daphne flüchtet nach Fürstenfeld, um sich vor dem lüsternen Apollon zu verstecken. So geht es wild zu auf dem Klostergelände in diesem Zyklus. Bei aller Unterhaltung wird Zingerl aber auch hier stellenweise ernst, etwa wenn er Sisyphos als Zwangsarbeiter zeigt, der vom umstehenden besoffenen Pöbel beleidigt, behindert und schließlich getötet wird.

Die Ausstellung beweist, das Guido Zingerl auch in seinem Spätwerk nichts von seinem Biss und seiner künstlerischen Kraft verloren hat.

Ausstellung "Guido Zingerl - Unsäglich und Sagenhaft" im Kunsthaus Fürstenfeldbruck. Seit 14. Mai und bis 13. Juni. Aktuelle Informationen zur Ausstellung, den Öffnungszeiten und zur Anmeldung gibt es unter www.kunsthaus-ffb.de

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Quelle:
SZ vom 14.05.2021
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