Kunst, präsentiert im normalen Wohnumfeld:Aufwühlend destruktiv

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Das Bild mit dem Titel "Lipstick" ist das einzige der Ausstellung, auf dem Gegenstände wie die beiden Lippenstifte noch schemenhaft zu erkennen sind. (Foto: privat/oh)

Charlote Panowsky stellt in der Zimmergalerie in der Dallmayrstraße in Fürstenfeldbruck aus

Von CHRISTIAN LAMP, Fürstenfeldbruck

Unruhige Linien und energische Farbkonflikte: Zwölf Werke Charlotte Panowskys aus dem Zeitraum 2010 bis 2016 sind am Sonntag zu sehen. Das besondere Anliegen der Ausstellerin Hedwig Hanf ist es dabei, zwei Welten zu verbinden: Kunst und Kommerz. Ihr Versuch, "Kunst im normalen Wohnumfeld zu präsentieren", arbeitet auch mit der Konfliktlinie von Temporalität und Permanenz. Neben den Arbeiten von Panowsky sind auch einige im Privatbesitz befindliche Werke zu sehen.

Panowsky sei es immer wichtig, stets "unbefangen an ein neues Bild heranzugehen". Dennoch lassen sich in der thematischen Anordnung Kontinuitäten ausmachen. "Lipstick" (2010) verteidigt als einziges Bild noch plastische Gegenstände gegenüber der Abstraktion. Die beiden Lippenstifte sind in hellem Zyanblau und teils leuchtendem Rot gehalten. Kaum vorhanden sind jedoch die dominierenden Farben, zu denen die späteren Werke immer wieder zurückkehren: Ultramarin, dunkles Blutrot, ins grünliche tendierende Eierschale und beliebig variiertes Schwarz.

"Allium Sativum" (2012) markiert einen weiteren Schritt. Entgegen der zugestellten Leinwand von "Lipstick" sind große Teile hier bewusst in hellem Grau leergelassen. Eine dunklere graue Basis aus abrupten Pinselstrichen trägt die noch schwach erkennbaren Formen, die in organischen Farben gehalten sind. Die grünlich-orange und in dieser Mischung stellenweise ins Braun tendierende Oberfläche entblättert sich, um ein schwarz-blaues Inneres freizugeben. Ein kräftiger aber verdünnter blauer Fleck schließt die Leinwandbewegung nach links ab.

Sie habe in letzter Zeit einen "Hang zum Ultramarin", konstatiert auch Panowsky. Was in "Lipstick" noch stellenweise durchbricht, leuchtende Farben, könne sie "gar nicht mehr ertragen". Höchstens bleibt noch, wie auf einer der kleinen quadratischen Leinwände, der sich schon verdunkelnde rote Rahmen, der die zerrüttete Oberfläche ins Zentrum rückt.

Eine dreidimensional strukturierte Leinwand scheint ein zentrales Thema bei Panowsky zu sein. Schon "Lipstick" und "Allium Sativum" bilden sich stellenweise durch dicken Farbauftrag in den Raum hinein. Die kleinen Leinwände - Panowsky meint, sie "komme schwer mit kleinen Formaten zurecht" - zeigen oftmals rissige und eingerollte Fetzen, aufgeklebtes Papier, das die Farbe differenziert. Ein anderes unbetiteltes Werk (2010) arbeitet dazu mit Sand. Auf schmutzigem Gemisch von goldenen Sandtönen zeichnet sich auf der rauen Oberfläche in schwarzer Linie ein deformierter Kopf ab, aus dem ein ins Blaue tendierendes Lavendel hervorbricht. Konzentrierter finden sich die zentralen Themen auf den beiden Pappwabenplatten von 2016, auf deren zusätzlich mit Sand strukturierter Oberfläche Schwarz, Ultramarin und eierschaliges Weiß Variationen aufführen.

Eine Befreiung der Linie zeigen schließlich die beiden neuesten Werke (2016) der Ausstellung. Auf der kleineren der Leinwände fließt ein erotisches Dunkelrot von oben über die hell grundierte Leinwand - dick, "wie Blut", meint Panowsky. Die Farbe hat sie durch die Beimischung von Eisenoxydpigmenten in helleres Rot erzielt. Auch die Farben sind bei ihr gebrochen.

"Vlies" dagegen opponiert dem Blutrot durch schwarz-bläuliches Grau. Nach rechts oben konzentriert sich die wirre Dynamik der Linien. Links unten blickt noch ein Fleck Ultramarin hervor, der sich energiegeladen der Linie widersetzt. Hier scheinen sich aus dem Linienfeld heraus Köpfe und Gesichter durch die Leinwand bohren zu wollen. Die "aufgehängte Haut", wie Panowsky im Nachhinein das Stück charakterisiert, scheint vielmehr eine erstickende Haut über verrenkten Körpern zu sein, die vergeblich nach Luft schnappen.

Zusammengedrängt und deshalb besonders stark findet sich diese Dynamik des Schreckens auf einer kleinen Leinwand (2016), die in der engen Gruppierung mit anderen gleichformatigen, aber völlig unterschiedlichen Werken leider unterzugehen droht. Gerade im kleinen Format, entgegen der Ansicht der Künstlerin, scheint sich ihre Kunst zu intensivieren. Eingesperrt auf kleinem Raum drängen die Überlagerungen über sich hinaus.

Die rissige Oberfläche ist scheinbar in untypischem Schwarz gehalten. Nur in den Bruchstellen der sich ablösenden Papierfetzen schimmern Weiß, Orangerosa und schmutziges Gelbgrün durch. Doch das von der Linie gelöste Schwarz ist durchsichtig. Beginnt es unten bereits grau anzulaufen, verstecken sich auch wieder dünn konturiertes Ultramarin und nach oben hin verstärkt ein dunkles, dickflüssiges Blutrot unter seinem Mantel des Schweigens. Dagegen verstummt auch die prekäre Fröhlichkeit von "Lipstick".

Sie sei kein politischer Maler, meint Panowsky: "Politik klammere ich aus". Man müsse sich aus einem Zustand der Freiheit heraus der Dynamik der Leinwand öffnen. Dennoch drängt sich der Eindruck auf, dass Panowsky eine zutiefst politische Malerin sei. Das Misstrauen der glatten, unversehrten Oberfläche gegenüber; die Präferenz gebrochener Farben; der unruhige, erratische Pinselduktus; die nie einfach anmutige Linie. All das zeugt von einer Politik der Werke, die aufwühlend destruktiv ist.

Charlotte Panowsky, Ausstellung in der "Zimmer-Galerie" von Hedwig Hanf. Sonntag, 3. September, von 15 bis 18 Uhr, Dallmayrstraße 16, Fürstenfeldbruck. Die Künstlerin ist anwesend.

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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