Süddeutsche Zeitung

Kunst in Fürstenfeldbruck:Jenseits der Abstraktion

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In der neuen Ausstellung im Museum Fürstenfeldbruck versuchen sich vier Kunstakademie-Absolventen unter dem Titel "Gefilde und Gebilde" in der Annäherung an die Gegenständlichkeit.

Von Charlotte Geier, Fürstenfeldbruck

"Gefilde und Gebilde - Annäherung an die Gegenständlichkeit" nennt sich die neue Ausstellung, die bis 9. Juli im Museum Fürstenfeldbruck zu sehen ist. Sie präsentiert auf zwei Etagen Werke von vier Absolventen der Münchner Kunstakademie, alles ehemalige Meisterschülerinnen und Meisterschüler aus der Klasse von Karin Kneffels. Lena Keller, Martin Spengler, Melanie Siegel und Felix Rehfeld haben jeweils ihre eigene Technik, doch werden sie geeint von einem Leitthema: Im Fokus ihrer Werke stehen fiktive und reale Landschaften, Gefilde, Objekte, Gebilde. "Wir sind sehr stolz, dieses Quartett ausstellen zu dürfen", sagt Barbara Kink vom Museum Fürstenfeldbruck. "Alle Künstler sind gerade deshalb erfolgreich, weil sie sich nicht vom Markt treiben lassen. Wir bewundern ihre Ernsthaftigkeit bei der Durchsetzung ihrer Ideen."

In der unteren Etage stehen fiktive Landschaften und Objekte im Vordergrund. Von Martin Spenglers schwarz-weißen Skulpturen und Bildern aus Wellpappe, die durch die Kreidebemalung eine beeindruckende Räumlichkeit erhalten, geht durch ihre Farblosigkeit eine Aura der Kälte aus. "Jedes Bild hat etwas mit mir zu tun", sagt der Kölner - so zeigt ein Bild ein Hochhaus am Rhein aus der Nachkriegszeit. Das Bild besteht aus zwei Hälften, die eine bildet das reale Hochhaus ab, auf der anderen bricht es in der Mitte zusammen. Es wiege 100 Kilogramm, so der Künstler.

Melanie Siegels Acryl- und Ölgemälde beinhalten künstlich geschaffene Idyllen, zum Beispiel einen Swimming Pool oder eine Ansammlung von Tennisplätzen. Aus der Ferne könnten sie auch weichgezeichnete Fotografien sein. Gerade wegen ihrer Perfektion, Sauberkeit und Leere wirken die Bilder beängstigend. "Mich fasziniert der Eingriff des Menschen in die Natur. Er greift so stark ein, dass alles aus den Fugen gerät. Auf dieses Spannungsverhältnis will ich aufmerksam machen", sagt die Künstlerin. Sie sammle ständig visuelle Eindrücke zum Beispiel in der Natur oder über Google-Earth. Daraus erstelle sie dann Collagen und Skizzen, das finale Produkt würde aber erst im Prozess des Malens entstehen, sagt die Künstlerin.

Im oberen Stockwerk präsentieren Lena Keller und Felix Rehfeld reale Landschaften und Objekte. Kellers kontrastreiche und konturenarme Gemälde spielen mit Sehgewohnheiten. Auf den ersten Blick wie eine elegante idyllische klassische Landschaftsmalerei anmutend, drängt sich bald der Eindruck auf, dass das Farbenspiel zu grell, zu unnatürlich ist für eine naturgetreue Abbildung. Will sich der Betrachter annähern, wird das Bild nur unschärfer. Keller nennt diesen beabsichtigten Prozess "Kipppunkt". Auch sie inspiriert der Klimawandel und die Entfremdung des Menschen von der Natur. "Ich will niemanden belehren", so die Künstlerin, "nur auf eine andere Perspektive aufmerksam machen".

Felix Rehfelds Ölgemälde bestechen durch ihre akribische Maltechnik. Er fängt die Natur ein, vor allem Berge oder auch ein Kornfeld. Hunderte feine Linien fügen sich zusammen zu bemerkenswert wirklichkeitsgetreuen Abbildungen. Als Objekt stellt er ein Bild von einem Goldbarren aus. "Der Glanz von Gold hat die Kunst schon immer fasziniert, so auch mich. Gold ist für mich ein Fest der Opulenz", sagt der Künstler. Den Barren habe er ganz ohne goldene Pigmente gemalt, was dem Betrachter vor dem drei Meter langen und zwei Meter hohen Gemälde wohl kaum auffallen dürfte.

Auf die Frage hin, ob sie sich in ihrer Existenz durch künstliche Intelligenz bedroht fühlen, gibt das Quartett ein klares Nein. Felix Rehfeld führt an, dass Kunst sich nicht in der reinen Abbildung erschöpfe. Die wichtigste Dimension für ihn sei der bewusste und kritische Einsatz von Farbe - und eine künstliche Intelligenz könne diese Entscheidungen nicht in der Weise treffen wie ein Mensch. Für Martin Spengler muss Kunst menschlich sein, um eine Nachricht zu transportieren und im Betrachter etwas auslösen zu können. Im Übrigen müsse sich erstmal ein 3D-Drucker finden, der seine komplexen Wellpappe-Skulpturen kopieren könne. Leonie Keller fügt an, ein wesentlicher Bestandteil künstlerischer Arbeit bestehe darin, sich mit der eigenen Realität und Gedankenwelt auseinanderzusetzen. Nur daraus könne dann hochwertige Kunst entstehen - und diesen Schritt vor dem Produkt könne eine künstliche Intelligenz nicht gehen.

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